Deutsche Geschichte Von 1815-1870
grausame Härte, die man sich fortwährend gegen den unglücklichen
Jordan
erlaubte.
In
Preußen
schien man mit Beginn des Jahres 1847 wieder einmal zum Besseren einlenken zu wollen; die Provinziallandtage wurden zu einem
vereinigten Landtage
nach Berlin einberufen, und wieder hoffte man, derselbe würde nun endlich eine Verfassung ausarbeiten; aber ein königliches Patent und des Königs eigne Worte zerstreuten schnell wieder solche voreiligen Hoffnungen. Sie enthielten eine so offene Kriegserklärung gegen den Liberalismus und dessen Wünsche, daß die bestehende Entrüstung dadurch nicht beseitigt, sondern nur noch gesteigert wurde. Der später so berühmte
Heinrich Simon
aus
Breslau
durfte in einer Schrift über das erwähnte Patent: »Ablehnen oder Annehmen?« – dem Könige mit Recht zurufen: »Wir baten Dich um Brod, und Du gabst uns einen Stein!«
Nach sechszehn Wochen ging der »Vereinigte Landtag« so thatlos wieder auseinander, wie er gekommen war, und die Stände nahmen ihre Unzufriedenheit mit sich nach Hause, in die enttäuschten Provinzen, was der Regierung schlecht zu Statten kam.
Damit aber der ernsten, tragischen Lage auch der Gegensatz der Komödie nicht fehle, so sollte man es in demselben Jahre erleben, wie in
München
der leichte und kecke Fuß einer Tänzerin eifrig daran mitarbeitete, das Bestehende umzustürzen, ja, man sah mit Grausen und Entsetzen von der einen, mit Freude und Jubel von der andern Seite, wie er sogar das jesuitische Ministerium
Abel
, den getreuesten Vasallen Metternich's, über den Haufen stieß.
Im Herbste 1846 war die schöne und berüchtigte Tänzerin
Lola Montez
nach München gekommen. Halb Spanierin, halb Engländerin, glänzte sie weniger durch ihre Tanzkunst, als durch ihre Schönheit, ihren Geist, ihre Koketterie, wie auch durch ihr unverschämtes Auftreten, indem sie sich nichts daraus machte, mit der Reitpeitsche, die sie beständig bei sich trug, ohne Weiteres drein zu schlagen, wenn sie sich ärgerte. Geistvoll, originell und Protestantin, wußte sie den alternden König Ludwig dergestalt zu umgarnen, daß er nichts mehr sah und hörte, als sie, und alle seine himmlischen Heiligen über der irdischen Göttin vergaß. Er richtete glühende Gedichte »an Lolita«, in denen er erklärte, daß er nun zuerst wisse, was Liebe sei, während sie sich in seiner Gegenwart über Alles lustig machte, was er bis dahin beschützt hatte, über die Schwarzröcke, die Pfaffen und die Bigotterie. – Je mehr der König sie verehrte und ihr nachgab, um so mehr wurde sie folglich von dem Klerus gehaßt, nachdem derselbe sich überzeugt hatte, daß die Tänzerin, der er anfänglich auch gehuldigt, um sie als Werkzeug zu gebrauchen, ihm die Herrschaft über den König zu entreißen drohe. »Er ist behext« so schwatzten die gläubigen Altbaiern ihren Beichtvätern nach, das Kreuz dabei schlagend, und er war es auch in der That aus trunkner Leidenschaft. Ganz so leichtsinnig, als Lola erschien, war sie indessen doch nicht; sobald sie inne wurde, wie groß ihre Gewalt über den Fürsten sei, faßte sie den klaren Plan und Vorsatz, ihn aus den Händen der Ultramontanen zu befreien, die sie gleichfalls bitter haßte, und mit Entsetzen sahen Jene den Fürsten mehr und mehr ihren Händen entschlüpfen. Schon begann König Ludwig gefährliche Neuerungen damit, daß er ein eigenes Ministerium für den
Unterricht
schuf und den Protestanten Vergünstigungen gestattete, die sie bis dahin nicht besessen. Lola wellte aber auch die Früchte ihrer Anstrengungen genießen, und der König, der nicht mehr ohne sie leben konnte, gab ihrem Drängen nach, und beschloß, sie zur Gräfin
Landsfeldt
zu erheben, um ihr dergestalt den Zutritt zum Hofe zu bahnen. – Die liberal Gesinnten wendeten sich schon lange widerwillig von dem ganzen Scandal ab, nun gerieth aber auch der ganze Adel, namentlich der weibliche Theil desselben, in die höchste Aufregung bei dem Gedanken an die Möglichkeit, die berüchtigte Tänzerin in seine Reihen aufnehmen zu müssen. Der König aber besaß das Recht der
Indigenatsverleihung
, und er bestand darauf, es trotz allen Widerspruches, Lola Montez zu geben. Da lehnten der Staatsrath wie die Minister es ab, das Document zu contrasigniren; sie Alle reichten,
Abel
an der Spitze, ihre Entlassung ein, fest überzeugt, damit den König zur Umkehr zu zwingen. Es wurde gleichzeitig ein Warnungsbrief bekannt, den der Fürstbischof von Breslau, ein wahrhaftiger Freund des Königs,
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