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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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der Straßen, stürmte Waffenläden und griff zu jedem Vertheidigungsmittel, welches sich darbot. Der Kampf war ungleich schrecklicher, als jener der Pariser Julirevolution; hier donnerten Kanonen und Kartätschen in ein fast wehrloses Volk, welches zu Anfang oft nur Dachziegel, Pflastersteine und Handwerksgeräthe zum Kämpfen hatte. Erst nach und nach konnten die Kämpfer sich nothdürftig bewaffnen, und vielfach schossen sie nur mit gehacktem Blei, Marmorkügelchen, Knöpfen und dergleichen Dingen. Ihr Schutz waren die Barrikaden, deren zuletzt an 400 errichtet waren, und die namentlich die Anstrengungen der Reiterei nutzlos machten. –
    Die ganze Nacht vom 18. auf den 19. März hindurch dauerte dieses entsetzliche Kämpfen; die Studenten, verbunden mit den Arbeitern der Borsig'schen Fabrik, bildeten einen besonderen Trupp und kämpften wie die Löwen auf und hinter den Barrikaden. Häufig wurden die einzelnen Abtheilungen von früheren polnischen Officieren dirigirt, und überdem kam dem Volke seine militärische Zucht zu Gute; Knaben trugen die Kugeln herbei, Frauen und Mädchen halfen bei dem Barrikadenbau, auf die man überall die deutschen Reichsfarben aufpflanzte und aus den Häusern wurden den Kämpfenden fortwährend Speisen und Erfrischungen gereicht-Noch am Abend entschlossen sich muthige Männer, unter ihnen der bekannte Dr.
Löwe
, der heutige Reichstagsabgeordnete, der Stadtrath Reimer und Andere, – auf dem Wege schloß sich ihnen noch der Bischof
Neander
in vollem Ornate an, – sich nach dem Schlosse zu begeben. In feierlicher Haltung, das Haupt entblößt, so schritten sie durch die Truppen und das aufgeregte Volk, das ihnen zurief: »Brav, ihr Friedensstifter, bringt uns den Frieden!« Sie brachten ihn nicht, der König wollte das Militär nicht zurückziehen, er blieb dabei: »Nur der Bitte, nicht der Gewalt weiche ich!« und so nahm das Verhängniß weiter seinen Gang!
    Eine mond- und sternhelle Nacht sah nieder auf die Hunderte von Wachtfeuern, auf die beleuchtete Stadt, die eine Feuersbrunst, welche in der königlichen Eisengießerei ausgebrochen war, bald mit noch grellerem Lichte überstrahlte; an die stille Himmelsdecke schlug das Knattern der Gewehre, das Geschrei der Kämpfenden, das Donnern der Kanonen, das Geheul der Sturmglocken, die das Wimmern der Sterbenden übertönten. Erbarmungs- und schonungslos wüthete das Militär gegen Alle, die ihm in die Hände fielen, so wie auch gegen die Einwohner der Häuser, die es im wilden Kampfe erstürmte. Am schrecklichsten tobte er in der Breitenstraße, deren Vertheidigung Bürger, Studenten und Schriftsteller übernommen hatten, und welche eine mächtige Barrikade schloß, die vom Schloßportale aus vier Stunden lang beschossen wurde. An den Schloßfenstern standen unterdessen der König und seine Generale, hinausschauend in die Schrecken dieser Nacht, aber sie blieben taub für jede Warnung und Vorstellung, die dem Schlosse von den verschiedensten Seiten her zukamen. Mitten in der Nacht erschien im Schlosse eine zweite Deputation von Stadträthen, und diese sprachen ungescheut das Wort aus:
    »Es ist keine Emeute, es ist eine Revolution!« Der König und seine Umgebung blieben immer noch unbeweglich, sie wußten nicht, daß die Truppen überall zu weichen begannen; gegen Morgen nahmen die Volkskämpfer das Landwehr-Zeughaus, gewannen damit einen ungeheuren Waffenvorrath und General Möllendorf, der die Truppen führte, wurde von ihnen gefangen genommen. Jetzt ging eine neue Mahnung in das Schloß: »Das Militär binnen einer Stunde zurück,. oder der General wird erschossen!« –
    Unterdessen hatte in diesen entsetzlichen Stunden der König die bekannte Proclamation: »An meine lieben Berliner!« verfaßt. Deren Inhalt bewies klar die Verblendung des unglücklichen Monarchen, der in diesem Schriftstück die Wahrheit ganz eben so entstellte, wie sie ihm selbst durch seine reactionäre Umgebung entstellt gezeigt wurde, und mit lautem Hohne wurden die Versicherungen väterlicher Liebe aufgenommen, sowie auch die Versprechungen, welche die Proclamation enthielt, am Schlusse gab der Fürst sein königliches Wort, das Militär allsobald zu entlassen, wenn das Volk sich entwaffnen werde. – Am Abend des Kampfes war den Truppen der Befehl ertheilt worden, bis 5 Uhr Morgens müßten sie Herren der Stadt sein, und man hatte ihren Muth durch den reichlichen Genuß geistiger Getränke aufrecht zu halten gesucht, aber als jetzt der Morgen graute,

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