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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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standen sich beide Theile zur Schlacht gerüstet gegenüber, die Republikaner theilweise mit Sensen bewaffnet und mit zwei kleinen schlechten Kanonen versehen. Immer noch zögerte man, den ersten Schlag zu thun, da traten die Republikaner aus dem Glied und riefen den Truppen zu: »Brüder, Freunde, vergießt kein Bürgerblut, macht gemeinsame Sache mit uns! es lebe die Freiheit!« – Schon sollen einzelne Soldaten sich dem Volkstruppe genähert, ihm die Hände entgegengestreckt haben, aber die Officiere rissen sie zurück und Gagern rief: »Brüder? Gesindel seid Ihr! Blut soll fließen!« Er warf sich auf's Pferd und rief die Unterofficiere und Freiwilligen heraus, die zuerst einen Bajonettangriff machten, der ebenso erwidert wurde. Doch war die Kampfeslust auf beiden Seiten nicht groß. In der vordersten Reihe hielt Gagern ohne jegliche Deckung, er drückte eine Pistole ab und commandirte »Feuer!« Wer dann zuerst geschossen, die Truppen oder die Freischaaren, ist nicht ergründet, genug, es erfolgte von beiden Seiten ein Pelotonfeuer, und als sich der Pulverdampf verzog, sah man Gagern auf seinem Rosse schwanken; er greift noch einmal nach der Brust, ruft »gerechter Gott!« da kracht eine zweite Salve und zum Tode getroffen, stürzen Roß und Reiter nieder. Es war ein furchtbarer Augenblick – schrecklich in der Gegenwart, schrecklicher für die Zukunft! Die Kugel, die Gagern stürzte, traf Deutschland mitten in's Herz! Ob es ein Meuchelmord, wie vielfach behauptet wird, gewesen, ob der blinde Zufall hier gewaltet – wer kann es entscheiden? in jedem Falle war dieses Ereigniß ein ungeheures Mißgeschick! In wenigen Minuten war dann der Kampf zu Ende; an einer Ecke flohen die Hessen, an einer andern die Republikaner, kein Theil hatte Lust daran, das Morden fortzusetzen. Gagern's Leiche fiel in die Hände der Freischaaren, und wurde den Seinigen gegen Rückgabe einer schwarz-rothgoldnen Fahne, die Jene erbeutet hatten, zurückerstattet. Von da an wurden Hecker's und Struve's Schaaren überall zurückgeschlagen, während die unter Sigel's Leitung noch einige Erfolge errangen. Es fehlte eben unter den verschiedenen Volksführern an jedem Zusammenhang, und auf die Zugezogenen war auch nur sehr geringer Verlaß, sobald sie sich regulären Truppen gegenübersahen. Die Führer, wie die versprengten Freischaaren suchten schließlich ihr Heil jenseits der Schweizer Gränze.
Hecker, Struve, Sigel, Th. Mögling
, der junge Würtemberger, dem seine Mutter noch in's Lager nachgereist und ihn umsonst beschworen hatte, die Waffen nicht gegen das Vaterland zu erheben – und Viele mit ihnen, sie waren jetzt nach kurzer Frist, schon wieder die ersten Verbannten von der kaum befreiten Heimatherde. Hecker's bedeutende parlamentarische Kraft war von da an leider für Deutschland verloren, dagegen wurde er mehr als je der Abgott des geringen Mannes, selbst des Soldaten, namentlich in Süddeutschland. Ein Mensch, der in aufgeregten Zeiten
handelt
und auch physisch seine Kraft entfaltet, übt jederzeit einen hinreißenden Zauber auf das geringere Volk aus, und etwas Heldenhaftes lag in Hecker's ganzer Erscheinung. Der hohe graue Hut mit der rothen Feder, den er in Baden trug, der
Heckerhut
, wurde bald überall als ein freiheitliches Abzeichen getragen, je zerdrückter, desto besser; das Heckerlied klang aus allen Bierstuben, von allen Gassen und auch aus den Kasernen, bis es durch die schwersten Strafen verpönt wurde. Der geschäftige Volksgeist hatte den wohlfeilen Versen schnell die sangbare und damals so sehr bekannte Melodie des Schleswig-Holstein-Liedes untergelegt. Statt des Refrains von Jenem: »Schleswig-Holstein stammverwandt«, sang man jetzt mit voller Kehle: »Hecker ist ein braver Mann, der für Freiheit sterben kann!« – Die gebildete Minorität der liberalen Parthei hatte freilich einen klareren Einblick in die Sachlage; die Kunde von Gagern's Tod machte überall eine erschütternde Sensation und sie war der erste Wehrmuthstropfen in dem Freudenbecher der Nation; Heinrich von Gagern und sein ungeheurer Freundesanhang hätten nicht Menschen sein müssen, um nicht durch dieses Ereigniß in eine bittere Stimmung gegen die republikanische Parthei versetzt zu werden. Diese fühlte sich wiederum durch deren Gereiztheit tief verletzt, und die Ausschreitungen und Brutalitäten, die sich das Militär nun in Baden und Schwaben erlaubte, die Art und Weise, wie es auch anderwärts aufzutreten begann, wozu sich die immer mehr

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