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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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unbescholtenen Deutschen wahlfähig machte. Zwei Drittel der Abgeordneten waren naturgemäß durch Oestreich und Preußen zu entsenden; nur das letzte Drittel vertrat das übrige Deutschland, den politisch reifsten Theil des Ganzen. Die nichtdeutschen Oestreicher jedoch enthielten sich der Wahl, und auch in Deutsch-Oestreich selbst wurde verhältnißmäßig schwach gewählt, doch fielen dort die Wahlen überwiegend freisinnig aus. Höchst rührig dagegen wurden die Wahlen in Preußen betrieben, auch in der Provinz Posen förderte die Regierung dieselben, und man sah von Preußen her so ziemlich alle Partheischattirungen vertreten. – Daß sich unter den Gewählten auch viele untergeordnete und mittelmäßige Geister befanden, ließ sich nicht vermeiden, nichts destoweniger war es eine glänzende Versammlung, in der sich eine Fülle von Talent, Gelehrsamkeit und Geist vertreten fand, die nun in Frankfurt zusammentrat, und der alten Krönungsstadt eine glänzende Zeit des Ruhmes und der Bedeutung verlieh. Das Parlament war zugleich ein Magnet, der aus den entferntesten Theilen Deutschlands, ja aus halb Europa, in diesem Sommer von 1848, Alles dorthin zog, was durch Bildung, Intelligenz oder sonstige hervorragende Eigenschaften glänzte. Aber auch die große Menge fehlte nicht. Wem es irgend möglich war gen Frankfurt zu ziehen, vornehm oder gering, Mann oder Frau, der unterließ es gewiß nicht. Jeder strebte darnach, nur einmal sein Auge und sein Herz am Anblick der deutschen Männer erfreuen zu dürfen, die da zur ernsten Berathung über die Zukunft des Vaterlandes versammelt waren; nur einmal wollte man den Reden lauschen, die allgewaltig von beiden Seiten aufeinander platzten, und in denen sich Alles aussprach, was der deutsche Patriot seit so vielen Jahren hatte mühsam in sich unterdrücken müssen, wo aber auch ebenso die Anhänger des Alten in zahlreicher Vertretung, nichts unterließen, um die Streiche der Fortschrittspartheien zu pariren und von der vergangenen Zeit noch so viel zu retten, als zu retten war.
    Abends vier Uhr unter Glockengeläute und Kanonendonner war das deutsche Parlament mit nahezu 500 Mitgliedern eröffnet und der Fünfzigerausschuß aufgelöst worden. Der Erste, der die Versammlung feierlich begrüßte, war der
Bundestag
, welcher ein Schreiben an »die deutsche Nationalversammlung« richtete und derselben im Namen der Regierungen die Bruderhand reichte. Schon in der folgenden Sitzung wurde
Heinrich v. Gagern
, dessen Parthei von vornherein die bestorganisirte war, mit großer Majorität zum Präsidenten erwählt, als Vice-Präsident trat ihm ein badischer Abgeordneter und Volksmann,
Alexander v. Soiron
zur Seite. Der unterliegende Candidat der republikanisch Gesinnten war
Robert Blum
gewesen, dessen Name und Bedeutung in dem Parlament, als ausgezeichneter Redner, nun mehr und mehr in den Vordergrund trat.
    Gleich vom ersten Tage an konnte man in der Versammlung drei große Partheigruppen unterscheiden; auf der äußersten Rechten saß die reactionäre, ultramontane Parthei, als deren Führer der feine und geistvolle, in den Ereignissen der letzten Jahren so viel genannte Professor
Döllinger
aus München gelten konnte. Um ihn schaarten sich andere katholisch-theologische Professoren,
Knoodt, Buß, Gförer
u.s.w., die wir heute Alle als eifrige Alt-Katholiken sehen, damals nicht ahnend, wie sie mit ihrem starren Festhalten an dem Vergangenen, einst sich selbst in die Opposition bringen würden. An diese schloß sich Alles an, was das übrige Deutschland von Ultramontanen, namentlich aus Tyrol, von starrem Adel und Beamtenthum schickte, unter welchen Letzteren der Protestantismus ebenso stark vertreten war, durch die specifischpreußische Parthei des
Freiherrn von Vinke aus Westfalen
, der die Ansicht geltend machte, daß fortan Deutschland in Preußen aufgehen müsse. Hervorragend unter dieser Gruppe des kirchlichen Adels, des Junkerthums und der sich an sie schließenden preußischen Aristokraten, waren General Radowitz, Fürst Lichnowsky, Graf Schwerin und eine weitere Reihe preußischer Vornehmen, mit denen der östreichische Bundestagspräsident und jetzige Abgeordnete, Ritter
von Schmerling
sich in gar gutes Einvernehmen zu setzen wußte, so daß er bald die ganze Rechte des Hauses beherrschte. –
    Ihnen am schroffsten gegenüber standen die entschiedenen Volksfreunde, welche unter Leitung von Itzstein und Blum, die Linke, und unter Vogt und Simon von Trier die äußerste Linke

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