Deutsche Geschichte Von 1815-1870
verschärften Polizeimaßregeln gegen alle demokratisch Gesinnten gesellten, verstärkten noch den Zwiespalt zwischen beiden Partheien von Tag zu Tag mehr und machten die Vermittlung immer schwieriger.
Die badischen Truppen kehrten von ihrem kurzen Feldzug gegen Landeskinder ziemlich geräuschlos zurück; die Hessen hielten einen Siegeseinzug in Darmstadt mit bekränzten Kanonen, bekränzten Fahnen und geführt von dem jetzigen Reichscommissär
Rauschenplatt
, dem ehemaligen Göttinger Studenten und Frankfurter Attentäter, der mit einem Schleppsäbel umgürtet und der dreifarbigen Schärpe geschmückt, dem Zuge voranschritt. Dies waren Tactlosigkeiten, für die der geringe Mann sich rächte, indem er den Soldaten die beleidigendsten Namen gab, unter denen der beliebte Ausdruck: »verthierter Söldling«, noch einer der gelindesten war. So bereitete sich auch in Süddeutschland nach dem Märzjubel eine erneute Spaltung zwischen Militär und Volk vor, wie sie nach den Berliner Vorgängen sich in Preußen in der schroffsten Weise zeigen sollte. Zwischen der sogenannten Bourgeoisie und den geringeren Ständen brach ein gleicher Zwiespalt aus; und weil die Ersteren über Alles, über jede eingeworfene Fensterscheibe das größte Geschrei erhoben, hießen sie bald im Volksmund nicht anders, als:
die Heuler
! wogegen die Andern, wegen ihrer beständigen Unzufriedenheit und Unruhe als:
die Wühler
! bezeichnet wurden. Immer gereizter wurde unter diesen Verhältnissen der Ton der Partheipresse und man darf mit vollem Rechte diesen, so bald zu Tage tretenden, Zwiespalt dem unglücklichen und unüberlegten »
Heckerputsche
« zuschreiben. Dieser arbeitete den Regierungen mehr als alles Andere in die Hand, denn im Ganzen erfreute sich der Deutsche seiner jungen Freiheit, wenn auch in lärmender, doch in harmloser Weise. Es war eine merkwürdige Zeit – Jeder hielt Reden, wo er einen Platz zum Aufsteigen und ein Publikum fand, ließ drucken was er wollte, bewaffnete sich so gut er konnte, und am Abend exercirte auf allen freien Plätzen die Bürgerwehr, oft illustrirt durch Gestalten und Evolutionen, die der ernsten Zeit auch die humoristische Kehrseite gaben.
Gearbeitet
wurde so gut wie nichts mehr in diesem Sommer von 1848 – die Studenten exercirten mit ihren Professoren um die Wette und in den nun wieder überall neu erstandenen Turn-Vereinen, in denen der Bürger und Handwerker vornehmlich vertreten war, sah man den Turuplatz häufiger benutzt als die Werkstatt. Ueberall bildeten sich Gesellschaften für Hebung und Förderung der Volksbildung, die Mädchen und Frauen wanden Kränze und stickten Fahnen für die verschiedenen Corporationen – die Turner, Volks- und Bürgerwehren, die dann bei passenden Gelegenheiten feierlichst überreicht wurden, und eine Reihe der verschiedenartigsten Festlichkeiten nach sich zogen. Volks- und Bürgerversammlungen gab es jeden Tag und zu jeder Stunde und am Abend verlängerten sie sich zu endlosen nächtlichen Sitzungen in den Bierhäusern und öffentlichen Localen, aus denen die Männer kaum noch heraus kamen. – In solcher Weise feierte Deutschland seine Auferstehung, seinen »deutschen Mai«, fast den ganzen Sommer von 1848 über, und unter dieser bunten Freudendecke webte still und leise die Reaction ihre alten Fäden wieder in einander.
Das alte System
erholte sich allgemach von seinem
Todesschreck
, es schmiedete neue Pläne, wie man der so arglos schwärmenden Nation wieder ihre Fesseln anlegen könne. –
Die vorbereiteten Ereignisse nahmen unterdessen auch ihren Fortgang und noch einmal kehrte die erste unentweihte Begeisterung in die Herzen zurück, erreichte der Jubel seinen ersten Höhepunkt, als am 18.
Mai
das erste deutsche Parlament in Frankfurt eröffnet wurde. Freudenfeuer auf allen Bergen, so weit die deutschen Gaue reichten, verkündeten es der Welt, daß sich nun die Revolution auf den gesetzlichen Boden gestellt habe, daß sie als beendigt betrachtet werden könne, und man sich anschicke ihre Früchte zu genießen.
Leider hatte das Bindeglied zwischen Vorparlament und wirklichem Parlament der
Fünfziger Ausschuß
, der die Wahlen hätte ausschreiben und leiten müssen, dieses sowohl, wie auch die allgemeine
Wahlart
den einzelnen Regierungen überlassen. Es wurde folglich nach sehr verschiedenen Bestimmungen gewählt, doch konnte man dieselben im Ganzen als freisinnig bezeichnen, namentlich war dies jene Bestimmung, der zu Folge das dreißigste Lebensjahr jeden
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