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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Lieb an: »Herr Gott dich loben wir,« und dann ging es vorwärts wie im Sturm; die Ermüdeten setzte man auf erbeutete Pferde, und nicht eher hielt die wilde Jagd inne, als bis die letzten Reste der französischen Armee total versprengt waren.
    Napoleon war, als er sah, wie Alles für ihn verloren sei, in sich zusammengebrochen, ohne Kraft und Willen; französische Jäger entrissen ihn dem Getümmel und führten ihn mit sich fort, erst zu Wagen, dann zu Pferde. Bald stießen die Verfolger auf seine Bagage, seine Equipage und Geldwagen. Auch das ganze Gepäck der Marschälle wurde erbeutet und die Soldaten wühlten in Kostbarkeiten jeder Art, deren Werth sie kaum kannten, wie einst die Schweizer Hirten und Bauern, welche Karl den Kühnen geschlagen und seine Reichthümer erbeutet hatten. – Vielfach hat man später darüber hin und her gestritten, wer eigentlich die Schlacht bei Waterloo entschieden, die Preußen oder die Engländer, wir aber schließen uns wohl gerne Friedrich von Gagern an, der Beiden den Lorbeer ertheilte und wohl am richtigsten sagte: »Bei Waterloo hat Wellington das Meiste gethan, Blücher das Meiste gewagt!« –
     
Dritte Vorlesung
     
    Zweite Restauration der Bourbonen. Napoleon nach St. Helena. Zweiter Frieden von Paris. Bildung der heiligen Allianz
     
    Es gab, bis zu der Zeit von 1870 und 71, wenige Episoden in der Geschichte, in denen die Ereignisse einander mit solch wunderbarer Schnelligkeit folgten, als die
hundert Tage
der zweiten Napoleonischen Herrschaft. Noch reicher jedoch ist diese Geschichte der hundert Tage an Treubruch, Verrath, Gesinnungslosigkeit, Heuchelei und Feigheit, wie auch von nutzlos verpufftem Enthusiasmus, ja, wollte man einen Gradmesser aufstellen für die ganze Tiefe der sittlichen Zerrüttung, die damals in Frankreich Platz gegriffen hatte, so würden diese cent jours wohl den besten Maßstab dafür abgeben. Nicht minder ließen sich ganze Bände anfüllen mit der Aufzählung aller der Ränke, Intriguen, der kleinen persönlichen Rache, wie des jähen Abfalls, welche diese kurze Spanne Zeit gesehen und erlebt hat. Wir haben bereits gehört, wie sich Napoleon in den Maschen seines eignen despotischen Gewebes, mit dem er Frankreich umschnürt gehalten, gefangen hatte; wie Niemand mehr an sein aufrichtiges constitutionelles Regiment glaubte, und wie er, um nur die öffentliche Meinung
von dieser Aufrichtigkeit zu überzeugen
, jetzt alle Angriffe der Kammern, der Presse, der öffentlichen Stimmen, mußte ruhig über sich ergehen lassen, in einem Augenblicke, da nur eine neue
Dictatur
ihn hätte halten und retten können. Der unterhöhlte Boden, auf dem er stand, ertrug keine parlamentarischen Angriffe, und Frankreich besaß in diesem Augenblick wieder eine Kammer, eine Volksvertretung, indem Ludwig XVIII. dem entschiedenen Willen Kaiser Alexander's sich fügend, ein
constitutionelles
Königreich angenommen und sich einer »Charte«, wie man diese bourbonische Constitution nannte, unterworfen hatte. Mit welchem Widerstreben dies geschah, ergab sich schon genügend aus der Schlußformel dieser Charte, welche lautete: »
gewährt, zugestanden
und
bewilligt
«. Man schloß damit von vorn herein die Anerkennung einer freien Vereinbarung zwischen Fürst und Volk aus; die Charte war kein Vertrag, welcher die Herrschaft zwischen Beiden theilte, sondern ein königliches Geschenk der Gnade, welches eben so wieder konnte zurückgenommen werden, wie es »freiwillig« gegeben war. – In der That hatte man während der kurzen Regierungszeit Ludwig's von dieser Verfassung schon wieder vielmöglichst reducirt; dem Kaiser Napoleon aber blieb, nach seinem raschen Siege, nun keine andere Wahl, als diese Charte, um keine Zeit zu verlieren, bestehen zu lassen und dieselbe wurde einfach nur durch eine Zusatz-Acte bereichert, welche die bourbonischen Mängel derselben möglichst ausgleichen sollte. – Die französische Kammer aber, die jetzt in diesem Augenblick zusammentrat, glaubte nach einer so langen Unterbrechung des verfassungsmäßigen Lebens nun wieder einmal die Macht in Händen zu haben, glaubte nun endlich einen Theil der großen Errungenschaften der Revolution von 1789 zu befestigen, und Frankreich gleichzeitig von Napoleon, wie von der älteren Linie der Bourbonen befreien zu können.
    Die feige Flucht Ludwig's, die in der übereiltesten Weise vor sich ging, brachte diesen König, der es nicht einmal wagte, die ihm »von Gott verliehene Krone« mannhaft zu vertheidigen,

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