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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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schwach und characterlos, um etwas durchzusetzen,
Wilhelm v. Humboldt
wohl nicht warm genug für die deutsche Sache. Er war ein Mann aus der Goethe'schen Schule und mehr der classischen, beschaulichen Ruhe, als dem heißen Partheikampfe zugeneigt. Dieser entbrannte denn nun doch inmitten aller Feste und äußeren Herzlichkeiten über die künftigen Schicksale
Sachsens
und
Polens
. Das erstere Land, wie es wohl das Richtige gewesen wäre, mit Preußen zu vereinigen, dazu konnte sich die Eifersucht Oestreichs nicht verstehen: »Es ist halt hart, einen Fürsten vom Thron zu stoßen,« sagte Kaiser Franz in seinem blinden Eifer für die Legitimität seines königlichen Vetters, und eben so hartnäckig vereinigten sich Preußen und Oestreich zum Widerstand gegen Rußland hinsichtlich dessen Plänen auf Polen, namentlich seitdem England sein Gewicht gegen eine neue Vergrößerung Rußlands im Osten in die Wagschaale geworfen hatte. Das Gerechte und Vernünftige wäre es auch hier gewesen, ein neues, unabhängiges Königreich
Polen
zwischen Deutschland und Rußland zu schaffen, damit den Raub und die Theilungen des 18. Jahrhunderts zu sühnen und Rußlands nächste Berührung mit unsern Gränzen fern zu halten. Wären die hierbei betheiligten Mächte constitutionelle Staaten gewesen, hätten sie ihren persönlichen Willen zugleich einem Volkswillen unterbreiten müssen, so würde dieser vernünftige Weg wohl eingeschlagen worden sein, nun aber überwog das absolute und persönliche Interesse der Einzelnen jede Erwägung einer gesunden Politik. Um jeden Preis verfolgte Kaiser Alexander jetzt in Wien das Ziel seiner Großmutter, der großen Katharina, die Gränze Rußlands bis in das Herz Europa's vorzurücken, und mit Heftigkeit verlangte er die Restaurirung des Großherzogthums Warschau unter russischer Oberhoheit; den Polen versprach er, um diese für sich zu gewinnen, eine Verfassung, doch ohne nur daran zu denken, auch seinen Russen eine solche zu geben. Damit Preußen ihm zu Polen verhelfe, wurde ihm Sachsen versprochen, und es fehlte wenig daran, daß der König sich fangen, und in eine Allianz mit Rußland verflechten ließ, gegen das eigne, nächste Interesse seines Landes. So erbittert wurde der Streit, Alexander zeigte sich in solchem Grate gereizt, daß es beinahe zum Krieg zwischen den Verbündeten gekommen wäre; zu diesem Zwecke hatten bereits am 3. Jan. 1815 sich Oestreich, England und
Frankreich
miteinander verbunden.
Talleyrand
versäumte diese günstige Gelegenheit nicht, Frankreich wieder in die Reihe der maßgebenden Staaten zu erheben, ehe noch die Rechnung ganz mit ihm abgeschlossen war, indem er sich in schlauester Weise als Gleichberechtigter in die Unterhandlungen einmischte. »Der König von Sachsen muß sein Land wieder haben, sonst schieße ich!« erklärte Kaiser Franz und so entschloß man sich denn endlich, unter dem Drucke dieser Spannung zu einer Theilung Sachsens. Jener Theil, der heute die Provinz Sachsen bildet, wurde abgetrennt und Preußen übergeben; der Rest des Königreichs blieb unter seinem Souverain fortbestehen. Eine weitere Entschädigung erhielt Preußen am Rhein, und obgleich dies mit der klugen Berechnung geschah, Preußen an der Arrondirung seines Gebietes zu hindern, wurde gerade diese Bildung der preußischen Rheinprovinz ein Glück für Deutschland und bot jetzt eine achtunggebietendere Gränze gegen Frankreich dar, als wenn man diesen Landstrich auf's Neue, wie früher in kleine Theile zersplittert hätte. – Ich darf Sie ja auch kaum daran erinnern, wie jener südliche Theil des Rheingebiets, der zwischen Baiern, Hessen und Baden getheilt ist, im Jahre 1870 den Franzosen den vortheilhaftesten Angriffspunkt darbot. – Immerhin war Preußen damit noch nicht so reichlich entschädigt, wie es nach Maßgabe seiner Anstrengungen verdient hätte; auch Baiern war unzufrieden, obgleich ihm Anspach und Baireuth, was früher zu Brandenburg gehörte, verblieb. – Der Prinz von Oranien erhielt Holland zurück, welches nun, vereinigt mit den flandrischen Provinzen, dem heutigen
Belgien
, das Königreich der Niederlande bildete, der neue König aber entsagte dagegen seinem Stammlande
Nassau
; doch blieb er
deutscher Bundesfürst
und erhielt als solcher die Festung Luxemburg zum Besitz. –
    Soweit war man endlich mit den Verhandlungen gediehen, als wie durch einen Blitzstrahl alle Festlichkeiten, alle ernsteren Arbeiten mit einem Male unterbrochen wurden durch die Kunde von der

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