Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Rastadt, wo das Gefecht am heißesten getobt, wurde
Gottfried Kinkel
, die Waffen in der Hand, mit einer blauen Blouse bekleidet, gefangen genommen und auf einen Leiterwagen gebunden nach Karlsruhe gebracht. Tags zuvor, am 27. Juni, hatte sich die badische provisorische Regierung nach Freiburg begeben, sowie auch die constituirende Versammlung, die von ihr war berufen worden. Dort faßte man auf Struve's Antrag den unsinnigen Beschluß, auch jetzt noch den Kampf mit allen Mitteln fortzusetzen und jede Unterhandlung mit dem Feinde als einen Verrath am Vaterlande zu betrachten. Dem widersetzte sich
Brentano
, der sich ohnehin immer dafür erklärt hatte, den Großherzog zurückzurufen, damit dieser die Reichsverfassung, für die er ja schon früher alle möglichen Concessionen gemacht hatte, durchführe, und damit entschied sich auch in Baden der Bruch zwischen der Parthei der Reichsverfassung, und jener der extremen Republikaner.
Brentano
, welcher stets den Standpunkt festgehalten, daß er die Dictatur nur in Abwesenheit des Fürsten übernommen, legte dieselbe jetzt nieder, und entfloh nach der Schweiz, während das Trauerspiel in Baden zu Ende eilte. Dieweil sich noch im badischen Oberlande die Kämpfe in kleinen, zerstreuten Gefechten fortsetzten, trat nach und nach die ganze Revolutionsarmee über die Schweizer Gränze, wo sie die Waffen niederlegte. Hunderte wurden zuvor schon gefangen, und Vielen gelang es, auf Umwegen wieder nach Hause zu entkommen. Nur die Festung
Rastadt
bot noch längeren Widerstand dar, so daß am 1. Juli deren regelmäßige Belagerung unter General v. d. Gröben mit 20,000 Mann begann. Im Innern commandirte der Lieutenant Willich, der schon bei dem Heckerputsch betheiligt gewesen, und ein früherer Kavallerieofficier,
Tiedemann
, ein Sohn des berühmten Heidelberger Anatomen, auch zwei Söhne Mittermaiers befanden sich unter den Vertheidigern der Festung. Am 23. Juni ergab sich dieselbe und zwar, weil keine besseren Bedingungen zu erlangen waren, auf »Gnade und Ungnade«. Die Trauernachrichten von Außen lähmten den Muth der Besatzung, die Soldaten wollten nicht mehr kämpfen, legten ihre Waffen auf dem Glacis der Festung nieder und wurden von da als Gefangene in die Kasematten abgeführt, in jene Kasematten, die eine so traurige Berühmtheit erlangen sollten, und wo eine Menge jüngerer, gebildeter Männer aus den besten Familien jämmerlich an Leib und Seele zu Grunde gerichtet wurden, wenn nicht dem Einen oder dem Andern die oft merkwürdigsten Fluchtversuche gelangen. Unter diesen Glücklichen befand sich der heutige amerikanische Senator und zeitweise Gesandte an verschiedenen europäischen Höfen,
Karl Schurz
, der in fast wunderbarer Weise jenen Kasematten entfloh und dann, unter der steten Gefahr entdeckt zu werden, aus der gewonnenen Freiheit nach Deutschland zurückkehrte, um seinen Freund und Lehrer
Kinkel
befreien zu helfen.
In Freiburg, Mannheim und Rastatt begannen jetzt die Kriegsgerichte ihre furchtbare Thätigkeit und richteten dabei ihr besonderes Augenmerk auf preußische Unterthanen. Eines der ersten Opfer, welches dem Standrecht verfiel, war der unglückliche
Dortü
aus Potsdam, noch ein halbes Kind, den man am frühen Morgen hinter Freiburg erschoß. Von da an erzählten es noch oft vereinzelt aufsteigende Rauchwolken, daß jetzt wieder ein zu Pulver und Blei Verurtheilter vor den mörderischen Geschossen gestanden. Aber Alle, die sich bewußt waren, daß sie für eine Idee gestritten, starben mit ruhigem, unerschütterlichem Muthe, die Gebildeten nicht allein, ebenso die Soldaten und Unterofficiere. Auf den Wällen von Rastadt fiel, als einer der Ersten,
Tiedemann
, auch der Major
Biedenfeld, Elsenhans
, der während der Belagerung ein Blatt redigirt hatte,
Böning, Höfer
und Andere, von Millionen Herzen tief betrauert. Auch über Kinkels Haupt schwebte das düstre Verhängniß; seine Frau, die berühmte Johanna Kinkel, die Schriftstellerin und Komponistin, bahnte sich den Weg durch die feindlichen Truppen nach dem Hauptquartier; sie flehte um das Leben ihres Gatten, und fast jeden Morgen, eine Woche lang, brachte die Zeitung die Kunde: Kinkel ist erschossen! denn das Kriegsgericht hatte ihn bereits verurtheilt, bis endlich nach einer qualvollen Zeit von Berlin aus seine Begnadigung erfolgte: »zu lebenslänglichem Zuchthaus!« Eine gnädige Strafe, die er in Naugard bei Stettin bald in der härtesten Weise zu verbüßen begann. Nun füllten sich wieder die
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