Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
Vom Netzwerk:
schwächer als der andre, immer weniger darauf bedacht, auch die Wünsche und Rechte der Nation zu berücksichtigen. Die Hauptschwierigkeit lag eben fort und fort in der Ordnung des Verhältnisses zwischen Oestreich und Preußen. Keiner dieser Staaten wollte die
Hegemonie
, die Vorherrschaft, des andern dulden – welche Form aber gab es, die beide Theile zugleich befriedigen konnte? Es blieb nur eine Auskunft, dieselbe, welche bereits zur Zeit des westphälischen Friedens war ausgesprochen worden, nämlich Oestreich aus dem deutschen Bunde ganz auszuschließen. Zu dieser einsichtigen Politik vermochte sich jedoch Niemand aufzuschwingen, und wir sehen im Gegentheil, wie in diesem Dilemma die alte
Kaiseridee
wieder verstärkt auftaucht, sehen, wie selbst Stein sie begierig erfaßt, und in die große politische Irrung verfällt, zu glauben, daß
diese Kaiserkrone
durchaus wieder von dem
Hause Habsburg
getragen werden
müsse
. Es war freilich auch nicht abzusehen, wie Oestreich sie einem andern deutschen Fürsten, wie es dieselbe namentlich Preußen gönnen werde, und der eigenthümliche, später wiederkehrende Gedanke, einen Privatmann zum deutschen Kaiser zu wählen, mochte in Folge dessen damals schon in manchen patriotischen Köpfen auftauchen. Hatten doch schon während des Befreiungskrieges Officiere und Studenten es laut ausgesprochen, man solle nach beendigtem Kampfe den Freiherrn von Stein zum Kaiser ausrufen. – Lebte nun dergestalt die Kaiseridee als das richtige Einheitsband in den Gebildeten der Nation fort, so machte sie sich auch bei den Fürsten in so hohem Grade geltend, daß 19 Kleinstaaten zusammentraten, und durch die Fürstin
Fürstenberg
den Kaiser Franz geradezu auffordern ließen, die Kaiserwürde jetzt wieder anzunehmen. Unterstützt wurde dies Verlangen durch eine spätere Note von 29
Fürsten
. Aber Kaiser Franz entschloß sich so schnelle nicht; er wollte erst noch mehr gebeten sein und dies geschah denn auch wirklich einige Monate später durch die bekannte Denkschrift von Kapodistria, die dieser auf Stein's Wunsch verfaßte und dem Kaiser Alexander übergab. Darin heißt es denn ausdrücklich: »Eine Festigkeit der Verfassung könne nur durch ein erbliches oder gewähltes Oberhaupt gegeben werden; es sei daher rathsam und den Wünschen der Deutschen gemäß, Oestreich diese Würde mit den nöthigen Vorrechten zu übertragen.« – Es war nur zu erklärlich, daß Preußen durch den Mund Hardenberg's und W. v. Humboldt's augenblicklich gegen diese Pläne entschieden protestirte, erklärend, daß weder Preußen, noch Baiern, noch Würtemberg sich dem unterwerfen würden. Als einen der Hauptgründe für einen
Bund
gegenüber der Erneuerung des alten Kaiserstaates machten sie geltend, daß »die Ruhe und Sicherheit Deutschlands und sein Einfluß auf das Gleichgewicht Europa's stets auf der
Einigkeit
Preußens und Oestreichs beruhen, die wahre Gefahr in
deren Uneinigkeit
zu suchen sei!« – Die Erstere würde allerdings durch ein solch erzwungenes Unterthänigkeitsverhältniß einer Großmacht unter die Andere im hohen Grade gefährdet worden sein, für uns aber, die wir das Endresultat der hier beginnenden Pläne und Verhandlungen erlebt, haben sie heute wieder ein
neues, ganz
besonderes Interesse, weil eben nichts so sehr dazu angethan ist, uns eine ruhige leidenschaftslose Betrachtung gegenwärtiger Ereignisse und siegreicher Ideen zu lehren, als ein Rückblick in deren Geschichte. –
    Auch die Presse kämpfte rüstig, namentlich nach Napoleons Rückkehr, mit großer Entschiedenheit für die Erneuerung der Kaiserwürde. Das damals und seit Jahren so einflußreiche Blatt von Görres »Der deutsche Merkur« drängte mit den Worten: »Man eile den Kaiser auszurufen!« und nach dieser Mahnung hieß es dort einige Wochen später: »Haben wir den Schwerpunkt aufgefunden, ist unsere Kraft in einer Einheit auch gesammelt? Ganz Deutschland hat gerufen nach einem Kaiser; der gemeinste Mann hat eingesehen, daß auf diesem Wege
allein
eine Einheit und Festigkeit zu gewinnen sei! – – – Haben die Räuber (die Franzosen) ihren kaiserlichen Hauptmann sich zurückgenommen, dann müßten die deutschen Fürsten von Gott verlassen sein, wenn sie länger noch einen Augenblick zögerten, sich ein oberstes Haupt zu setzen. Darum werde Franz als aller Deutschen Kaiser ausgerufen, aber nicht als ohnmächtiges Schattenbild, sondern bekleidet mit der Würde der alten Kaiser, und ihm die oberste Leitung aller

Weitere Kostenlose Bücher