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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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eingetreten. Außer dem Stillstande in Preußen war auch in Hannover wie in Braunschweig, nach langem Hin-und Herzerren, nur die alte,
landschaftliche
Verfassung wieder aufgerichtet worden, während in
Sachsen
und
Hessen-Kassel
nicht einmal dieses zu Stande gebracht wurde. –
    Die Vorgänge im Hessen-Darmstädtischen trugen viel dazu bei, daß man in Wien so sehr darauf bedacht war, die unbequemen Verfassungswünsche zu beseitigen, denn hier nahm sogar das Volk einen ungewöhnlichen Antheil an dem Bestreben, den »
Vertrag
« zwischen Fürst und Volk in's Leben treten zu sehen. – In Baiern und in Baden war dieser Vertrag nicht frei vereinbart, er war vom Throne herab
octroyirt
worden, ein Gleiches sollte nun in Hessen geschehen.
    Großherzog Ludwig I. war ein Mann von Bildung und geistigem Interesse, und frühe für Ernsteres angeregt durch seine geistvolle Mutter, die Landgräfin Karoline, die Freundin Klopstock's, Knebel's, Friedrich's des Großen, Herder's und des jungen Goethe. Der lebhafte Verkehr, in dem sie mit dem Weimaraner Hofe stand, setzte sich unter ihrem Sohne fort, der speciell mit Karl August befreundet war; man befand sich in einem beständigen Austausch von Bildern, Kunstsachen, Büchern u.s.w., worüber der interessante Briefwechsel von
Merk
vielfachen Aufschluß giebt. Ludwig I. gehörte als Regent der Schule Friedrich's des Großen an; er regierte im Sinne des aufgeklärten Absolutismus, förderte namentlich eine rationelle Duldung in kirchlichen Dingen, und verwendete in Gemeinschaft mit seinem Freunde Schleiermacher großen Eifer auf das Sammeln von naturhistorischen Gegenständen, Gemälden und Büchern. Nicht allein seine Museen, auch seine Bibliothek überließ er nach seinem Tode seiner Residenz; es waren Geschenke von hohem Werthe, namentlich die Bibliothek, welche – die viertgrößte in Deutschland – große Schätze an Incunabeln, seltnen Büchern und Kunstwerken enthält. Wie er namentlich die Musik liebte, wie er Männer wie Rink, Meyerbeer, Vogler und Weber ehrte, ist bekannt, doch entfremdeten ihn seine künstlerischen Neigungen mehr, als gut war, dem Staatsleben, so wie sie auch in einer Zeit den Finanzen arg zusetzte, da die materielle Noth des Landes dringende Hülfe erheischte. – Nachdem der Großherzog 1806 dem Rheinbunde beigetreten war, hob er die alte ständische Landesverfassung auf, stellte die Leibeigenschaft ab, und suchte die Steuerfreiheit durch gleichmäßige Einrichtung des Steuerwesens zu beseitigen, wobei ich daran erinnere, wie der deutsche Adel, von lange her ebensowohl als der französische
steuerfrei
war, ein Umstand, der seiner Zeit nicht wenig zu dem Ausbruch der französischen Revolution beigetragen und der in der Zeit, von der ich rede, in ganz Deutschland große Mißstimmung gegen den Adel hervorrief. Es erwuchsen aus dieser gewiß gerechtfertigten Forderung schon damals, und noch für lange hinaus, endlose Conflicte, bald zwischen Adel und Volk, bald zwischen Adel und Fürst. Die Stellung, welche der Großherzog zu dieser Frage nahm, konnte ihm nur die allgemeinen Sympathieen erwerben, und er sträubte sich auch jetzt nicht gegen eine
Repräsentativ-Verfassung
, doch erschien seinem souveränen Sinne die
Form der Octroyirung
gleichfalls angemessener, als die der Vereinbarung; weil man aber damit nicht so schnelle zu Stande kommen konnte, – wozu auch der Gebietsaustausch von 1815 viel beitrug –, sah sich der gute Wille des Fürsten plötzlich durch eine große Aufregung im Lande überholt. Die Verhältnisse des Jahres 1817, bekanntlich ein schweres Noth- und Hungerjahr, versetzten die Gemüther in dumpfe Gährung, und in unklarer Erkenntniß, aber doch nicht unrichtigem Ahnen, verwechselte der geringe Mann in diesem Fall, wie nachher noch öfter, die Ursache mit der Wirkung. Man hielt den Mangel an politischer Freiheit für den nächsten Grund äußerer Noth und nun wirkten beide Dinge zusammen, Unzufriedenheit zu erzeugen. Von Oberhessen ging zuerst der Anstoß aus, der Regierung die Stirne zu bieten; dann wurden dort und in Starkenburg Ausschüsse gewählt, welche Eingaben und Vorstellungen bei der Regierung um eine Verfassung machten. Zugleich schilderten diese Vorstellungen eindringlich die unerträglichen Steuerlasten, und wie unter deren Druck ein braves Volk zu einem rohen Schwarme entarte. Man vergaß freilich, daß die eigentliche Quelle der Noth in den vergangenen Kriegen zu suchen sei, womit freilich nicht gesagt sein soll, daß nicht

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