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Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
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Erleichterung geschafft werden konnte und mußte. Der Großherzog versprach, die Stände auf den Mai 1820 einzuberufen, also erst fast nach einem Jahre. Hierauf wurden die Bittschriften immer zahlreicher, die Vorstellungen immer entschlossener, ja zuletzt drohend, man verlangte in jedem Fall eine Mitberathung des Volkes. – Es war ein aufgeregtes Jahr dieses 1819; große Judenverfolgungen – man bürdete Jenen die Schuld an der Theurung auf – von denen jedoch auch vielfach behauptet wurde, die Reaction sehe sie gerne, und zu denen das bekannte: »Hepp! Hepp!« – jener Ruf, mit dem die jüdischen Kleider-Trödler Roms einst ihre Gegenwart in den Straßen bemerkbar machten, das Signal gaben, bekundeten zuerst die Aufregung des Volkes. Zu diesen Verfolgungen gesellten sich dann Unruhen im Odenwald; man fing an die Steuern zu verweigern aus dem Grunde, weil sie nicht durch Stände verwilligt waren. Volksschriften, die das Volk über seine Lage und seine gerechten Wünsche aufklären sollten, wurden verbreitet, und besonders das: »Frag- und Antwortbüchlein über Allerlei, was im deutschen Vaterlande besonders Noth thut«, von Wilhelm Schulz aus Darmstadt, mit Begierde gelesen. – So kam es denn bald im Odenwald zu blutigem Zusammenstoß mit dem Militär, welches die vorgenommenen Pfändungen beschützte; in Darmstadt wurden der schon genannte Advokat Karl Heinrich Hoffmann und sein Freund Wilhelm Schulz, zwei Männer, die der wärmste Eifer für Volk und Vaterland beseelte, und die auf einem freien Boden Großes würden geleistet haben, verhaftet, dann aber bald wieder freigegeben, da die Regierung beständig zwischen Nachgeben und Härte schwankend, nun doch endlich am 18. März 1820 ein
Verfassungsedict
erließ. Inzwischen waren die Karlsbader Beschlüsse gefaßt worden und in derem Geiste war dieses Edict abgefaßt, das Niemand befriedigte. Man nannte ein Werk:
Verfassung
, welches alle fürstliche Machtvollkommenheit behauptete, welches den Ständen zwar das Recht der Steuerbewilligung verlieh, doch ihnen zugleich die
Steuerverweigerung
entzog, also das einzige wirksame
gesetzliche
Mittel, welches den Landständen Macht verleiht. Polizei- und andere Gesetze wollte die Regierung ohne ständische Mitwirkung erlassen dürfen, endlich war das Wahlgesetz ein durchaus unfreies, mit sehr hohem Census, und zwiefach indirecten Wahlen. – Diesem Edict gegenüber gab nun das hessische Volk ein schönes Beispiel mannhaften und würdigen Widerstandes. Trotz des mangelhaften Wahlgesetzes wurden freisinnige Leute, unabhängige Bürger und Bauern gewählt, und die Abgeordneten der zweiten Kammer übergaben eine Vorstellung an den Fürsten, von Oberappellationsrath Höpfner verfaßt, worin sie erklärten, daß dies Edict nur ein
Regulativ
, keine
Constitution
sei, und als die Regierung noch auswich, verweigerte die Mehrzahl der Deputirten den Verfassungseid.
    So entschloß man sich denn zum Nachgeben von Oben, wozu auch die Wiener Ereignisse drängten; jene bereits erwähnte Opposition Würtembergs, sowie das Festhalten des übrigen Süddeutschland an den gegebenen Verfassungen, beeinflußten den Fürsten, dessen grader Sinn sich vielleicht auch schließlich an den Metternich'schen Wortverdrehungen ärgerte. Das damalige hessische Ministerium
Grolman
kam jetzt der Kammer so unverholen freundlich entgegen, daß die Spannung sich rasch löste, und als nun noch das unbedingte Steuerverwilligungsrecht gewährleistet, ein Zusatz über Ministerverantwortlichkeit beigefügt und eine sehr befriedigende Rechnungsablage vorgelegt wurde, schloß sich der Friede unter allgemeinem Jubel des Landes. Man gab seinerseits dem Fürsten darin nach, daß er diese nun sehr freisinnige Verfassung, die später leider fast ganz beseitigt wurde, als eine
von ihm ausgegangene
verkündigen ließ, und auf's Neue war durch diese Vorgänge ein glänzender Beweis geliefert von dem gesunden und versöhnlichen Sinn des deutschen Volkes, wo ihm von Oben her Wohlwollen und einsichtiges Nachgeben entgegen kam.
    Von da an bildeten die süddeutschen Mittelstaaten entschieden den Sauerteig für ein fortschrittliches Leben in Deutschland, und zu gleicher Zeit sehen wir, im Gegensatze zu der heiligen Allianz der Fürsten, eine
heilige Allianz der Völker
sich schließen und von jenen Stätten ihre Ausgangspuncte nehmen, wo der Same der französischen Revolution bereits für eine Weile aufgegangen war, und zu neuen Zuständen geführt hatte. In jenen Ländern zuerst

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