Deutsche Geschichte Von 1815-1870
der östreichischen Politik nehmen lassen, und zeigte sich nun übereifrig, die Karlsbader Beschlüsse auszuführen.
Wie
Humboldt
und andere ehrenfeste Männer in Folge dessen ganz aus dem Staatsrathe austraten, haben wir bereits gehört; nur der charakterlose Staatskanzler Fürst Hardenberg besann sich jetzt nicht länger, sich mit der ultra-reactionären Parthei Wittgenstein-Kamptz zu verbinden und ganz in die Hände Metternich's zu liefern. Am schrecklichsten und fühlbarsten waren die Eingriffe in die
Lehrfreiheit
, worüber Stein im November 1819 einem Freunde schreibt: »Man unterwirft unsere Universitäten der despotischen Herrschaft eines an Ort und Stelle befindlichen Bevollmächtigten mit so unbeschränkter Gewalt, daß
er
sich selbst seine Unfähigkeit, sie auszuüben, eingestehen muß; man unterwirft seiner Aufsicht die Studenten, wie die Professoren, man beraubt Beide einer Unabhängigkeit, die Jenen für die Entwicklung ihres Charakters und das Suchen der Wahrheit so nothwendig ist.« – Bis zu hellem Unsinn und die herbste Satyre herausfordernd gingen diese Verfolgungen; in Warschau z.B. lud man Studenten vor, weil sie
sandfarbige
Röcke trugen.
Arndt
, dessen Feder so oft im Auftrage und Dienste der Regierung den Patriotismus seiner Nation angeeifert hatte, wurde jetzt wegen solcher Schriften gequält, ja, Sätze, die der König früher eigenhändig an den Rand einer Landsturmsordnung geschrieben, und welche man abschriftlich bei Arndt vorfand, wurden ihm als Drohreden vorgehalten, – jede Einrede, jedes Gesuch vor seinen
ordentlichen
Richter gestellt zu werden, war vergeblich; bis 1840 blieb der geistvolle Mann suspendirt und auch erst dann bekam er seine Papiere zurück.
Jahn
erging es noch schlimmer, er wurde in Küstrin in Fesseln geschlagen, und mochte ihn auch Stein einen »fratzenhaften Narren« genannt haben, so hatte der Mann doch auch seine großen Verdienste, und keinenfalls verdiente er für seine Faseleien eine so herbe, entwürdigende Strafe. Die
Welkers
, gegen die man die Untersuchung hatte aufheben müssen, drangen vergebens auf ein freisprechendes Urtheil, statt dessen kam eine Cabinetsordre, welche der Polizei und den Ministern befahl, gegen solche Lehrer, die den Verirrungen der Zeit huldigten, oder gegen die wegen
vermutheter
, oder erwiesener Theilnahme an demagogischen Umtrieben Maßregeln vom Staate waren ergriffen worden, ohne
gerichtliches
Verfahren einzuschreiten und sie als »unwürdige Subjecte« zu entfernen. Mit den Studenten sprang man noch schlimmer um; Follen wurde zu 10 Jahren Festung verurtheilt und seine Freunde mit ähnlicher Härte bestraft. Ungesetzliche oder staatsverbrecherische Handlungen waren ihnen nicht nachzuweisen, darum hatte der Herr v. Kamptz die weise Lehre aufgestellt, »daß auch durch
bloße Theorieen Hochverrath begangen werden könne
.« Man würde vielleicht heute diese Dinge nicht mehr so stark betonen, wenn sie vorübergehend gewesen wären, aber sie waren erst die Anfangsbuchstaben eines Systems, das viele, viele Jahre als Damoklesschwert über Deutschland schwebte und dreißig Jahre lang die Blüthe seiner Jugend entweder in die Verbannung jagte, oder hinter Kerkermauern verkommen ließ. – Da schwanden denn natürlich mehr und mehr die Hoffnungen dahin, die man auf Preußen gesetzt hatte, und nicht mit Unrecht nimmt das Urtheil der Geschichte, je reifer es wird, den Nimbus hinweg, der sich um Friedrich Wilhelm III. gelagert hatte, und der von seinen theologischen Freunden, namentlich seinem bekannten Biographen, dem Bischof
Eylert
, noch nach des Königs Tode, mit neuen Strahlen versehen wurde. Diejenigen Herrscher aber, welche wie er, eigensinnig an dem persönlichen, dem absolutistischen Regimente festgehalten, müssen es sich von unserem heutigen Gesichtspunkte aus auch gefallen lassen, daß man sie persönlich verantwortlich macht für die Fehler ihrer Regierungszeit. – Die
Tugenden des Privatmannes
, die Friedrich Wilhelm III. besaß, sein nüchternes, sparsames und ordnungsliebendes Wesen waren, wie genügend bekannt, nicht ausreichend gewesen, ihm, in der Napoleonischen Zeit,
den rechten Muth und die rechte Festigkeit zu verleihen
. Doch sah man in jener Zeit darüber hinaus, weil ihn wie sein Volk ein herbes Schicksal bedrückte, eine grausame Ungerechtigkeit ihn verfolgte, wenn auch sein schwankendes, zauderndes Wesen viel von dem verschuldet hatte, was ihn persönlich und was sein Land betraf. Aber trotzdem sie Beide so
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