Deutsche Geschichte Von 1815-1870
Studentenverfolgungen in Deutschland
Wir müssen uns heute auf einen stürmischen Vortrag gefaßt machen, denn wir werden von einem Aufstand, von einer Revolution zur Andern überzugehen haben.
Nicht sobald hatte sich der erste zündende Funke revolutionärer Blitze entladen, als der ganze politische Körper Europa's in stürmische Zuckungen gerieth, die jetzt von Spanien aus nach der italienischen Halbinsel übersprangen. Die
Restauration
der verschiednen Staaten Italiens war 1815 in fast noch einschneidenderer Weise vor sich gegangen, als die in
Spanien
und in
Frankreich
. In jedem Falle sahen sich dadurch die Hoffnungen der Italiener auf einen Gesammtstaat, auf ein
Königreich Italiem
wiederum zerstört. Seit dem 6. Jahrhundert, da der Ostgothe Theodorich zum Erstenmale ein italienisches Königreich geschaffen hatte, war dort der Wunsch nie wieder ganz erstorben, sich zu einer zusammenhängenden, selbstständigen Nation herauszubilden. Während der folgenden endlosen Kämpfe zwischen Kaiser und Papst auf italienischem Boden, stand immer zwischen Beiden eine Dritte, eine
nationale
Parthei, der das obengenannte Ziel vor Augen schwebte, und die zur Erreichung desselben, sich bald mit dem Papste, bald mit dem Kaiser verband. Dazu gesellte sich der republikanische Geist, der von uralter Zeit her, auf jenem Boden, dem die stolze Roma entsproßte, seine Nahrung gefunden und sich durch die Bildung der kleinen mittelalterlichen Republiken so mannichfach kundgegeben hatte. Es war nur eine sehr natürliche Erscheinung, daß kein anderes Land die neuen Lehren, die ihm Frankreich brachte, so begierig in sich einsog, als Italien, und daß mit der Neubegründung von Republiken, jenseits der Alpen, sich der schlummernde Gedanke an bürgerliche Freiheit und eine nationale Wiedergeburt neu belebte.
Leider hatte Italien den dafür günstigsten Zeitpunct von 1812–14 ebenso wenig
begriffen
und
ergriffen
, als dies in Deutschland der Fall gewesen; die Restauration vollzog sich auch dort, und zwar fast überall, sowohl im
Kirchenstaat
, in
Sardinien
, wie in
Neapel
, unter dem Jubel der Bevölkerungen, weil eben die Rückkehr der alten Herrschaften ihnen gleichbedeutend erschien mit der Erlösung von der Fessel des Fremden. Es machte sich dort wie aller Orten derselbe tragische Gegensatz geltend; während die Fürsten und Herren in Napoleon das Kind der Revolution, und mit ihm zugleich deren Hinterlassenschaft, die revolutionären Ideen und Einrichtungen bekämpften, sahen die Völker im Gegentheil in ihm nur den gestürzten Tyrannen und Despoten, und hofften jetzt, sich mit Sicherheit an den geistigen und politischen Gütern erfreuen zu dürfen, die ihnen, denn doch bei aller Drangsal, jene Epoche der Umwälzungen als tröstliches Geschenk gebracht und zurückgelassen hatte.
So mußte vom ersten Tage an die' Wiedergewinnung der
Lombardei
und
Venedigs
für Oestreich ein Danaergeschenk werden, und seinem im Uebrigen jetzt noch ziemlich gefügigen Staatskörper, ein höchst widerwilliges, unbeugsames Element einfügen. Ja, hätte man dort wenigstens die Zustände wieder so herzustellen versucht, wie sie unter Marie Theresiens einsichtiger Leitung gewesen, wo ein Vice-König die italienische Besitzung selbstständig verwaltete, und die
Lombardei
nach ihrem eignen Gesetzbuch regierte. Dies Alles war jetzt anders geworden, und dies Andre wurde um so schwerer empfunden, als es gar sehr verschieden war von dem, was man den Italienern anfänglich verheißen hatte. Vorerst theilte Oestreich seine transalpinischen Lande in zwei Provinzen, die man derart trennte, daß sich zwischen ihnen sogar bis um's Jahr 1822
Zollschranken
erhoben; sie standen unter zwei Gouverneuren, welche von
Wien aus
dirigirt wurden, und nicht genug damit, beschränkte man die bestehenden italienischen Gesetze durch eine höchst mißfällige Einmischung der östreichischen Gesetze, wobei man namentlich den Wegfall der Schwurgerichte auf's Schmerzlichste empfand. Im Laufe der Jahre wurden alle höheren Beamtenstellen mit Deutschen besetzt, die italienischen Truppen fortgeholt und dagegen das Land mit Ungarn, Kroaten und andern Fremden belegt. – Aeußerungen wie die des Grafen
Lasansky
: »Man müsse Italien germanisiren«, riefen die schlimmsten Befürchtungen wach, und wurde dann auch
Erzherzog Rainer
mit dem alten Vice-Königthum betraut, so war dies doch nicht mehr als eine nominelle Würde; während der dreißig Jahre, da er dieselbe bekleidete, that er nicht
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