Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Deutsche Geschichte Von 1815-1870

Titel: Deutsche Geschichte Von 1815-1870 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise Buechner
Vom Netzwerk:
»da es der allgemeine Wille des Volkes sei.« – Der lärmendste Enthusiasmus ergriff jetzt das wankelmüthige Volk von Madrid, und bald auch ganz Spanien; der König heuchelte den zärtlichen Vater, er versicherte seine Anhänglichkeit an die Verfassung und hob unter lautem Jubel die Inquisition wieder auf, die er vor 6 Jahren neu eingeführt hatte. Der Held des Tages war
Riego
, und an seine Gestalt heftet sich heute noch in Spanien die Erinnerung an jene glorreiche Revolution. Er war ein Mann von wenig Geist und Wissen, ohne besondere Eigenschaften und Anlagen, nur hatte er bei dem Aufstand großen Muth bewiesen und bewies ihn auch dann, als er drei Jahre später das Blutgerüst besteigen mußte um als Märtyrer eine Laufbahn zu beenden, die er als kühner Bandenführer begonnen. Als er zuerst nach Madrid gekommen, voll Selbstüberhebung und Eitelkeit, ließ er sich feiern wie einen Helden; sein Freund
San Miguel
hatte eine Hymne auf ihn gedichtet, die man Abends im Theater sang, als er dort erschien, und seitdem ist diese
Riego-Hymne
die Marseillaise der Spanier geworden, und hat sie bei neuen kühnen Aufständen, bei allen blutigen Kämpfen begleitet und angefeuert, während der fortgesetzten politischen Erschütterungen, die dieses unglückliche Land ohne Ende bedrohen.
    Doch wenden wir uns jetzt einen Augenblick nach Frankreich, wo nun gleichfalls die Soldatenaufstände, zum Theil geleitet durch Lafayette, der wieder für seine Orleans agitirte, zur Tagesordnung gehörten. – Selten wohl war die Gelegenheit einem Herrscher so günstig, seinem Lande wohlzuthun, die Uebelwollenden und Mißtrauischen zu versöhnen, als dies nach der zweiten Restauration der Bourbonen der Fall gewesen; Ludwig XVIII. hatte auch unzweifelhaft guten Willen, aber der Graf von Artois und dessen Anhang blieben unversöhnlich. Wir können hier auf die Einzelnheiten dieser Zustände nicht näher eingehen, es genüge die kurze Andeutung, wie man Alles that, was man nur konnte, um Frankreich wieder den Gebrauch constitutioneller Freiheiten zu verkümmern und zu verkürzen. Dazu kamen die unseligen Umtriebe des Klerus, den die Regierung brauchte und unterstützte, um das Volk zur alten Unwissenheit zurückzuführen. Wahrlich, man muß, um gerecht gegen die französische Nation zu sein, nie vergessen, wie dies begabte, aufgeweckte, von klarem Geiste beseelte Volk an
allgemeiner
Bildung mit jeder anderen Nation würde wetteifern können, ohne diesen geistigen Druck, der beständig auf ihm lastet. Jetzt, um ihm die Zügel wieder überzuwerfen, hatte man es mit der Einrichtung von inneren Missionen versucht, durch die der Pöbel in einen wahren Taumel versetzt wurde, ganz ähnlich, wie man dafür heute die Wallfahrten nach Paray-le-Monial und Lourdes benutzt. – Es war in jener Zeit, wo das »Herz Jesu«, dem man das Eigne freudig opfern sollte, anfing, seine Rolle zu spielen, – und man konnte von diesem Herzen drei Sorten kaufen, – ein Handel, der unermeßliche Gelder einbrachte. Auf jede Weise wurden überdem die religiösen Leidenschaften der Menge angefacht, – durch pomphafte Aufzüge, wobei geschmückte Jungfrauen Missionslieder auf Melodieen von Revolutionsgesängen ertönen ließen, durch junge, zierliche Prediger, welche die Herzen mit ihren Ansprachen tief erschütterten, durch das Aufrichten von ungeheuren Kreuzen und ähnlichen Aeußerlichkeiten. Spott und Hohn ergoß sich über diese Dinge, Entrüstung gesellte sich dazu wegen der grausamen politischen Verfolgungen, die verhängt wurden, und die Poesie lieh dem Allen ihren Ausdruck durch die Lieder des größten Lyrikers, den Frankreich je besessen, durch Béranger. Man sang seine chansons auf der Straße, wie in dem Salon, trotzdem sie ihren Spott über
Alles
schonungslos ergossen, und in feierlicherer Weise bewegte gleichzeitig Casimir
Delavigne
die Herzen, indem er in glühenden Worten den Freiheitskampf der unterdrückten Messenier gegen Sparta erzählte, und auf der Bühne den Tyrannenmord durch seine Dramatisirung der Sicilianischen Vesper verherrlichte. – Die Jahre 18 und 19 zeigen uns ganz Frankreich schon wieder in fieberhafter Erregung, als die Ermordung des Herzogs von Berry der Reaction neue Lebenskraft gab. Der Minister
Decazes
, der bis dahin zwischen beiden Partheien ein glückliches Schaukelsystem eingehalten, wurde nun laut von den Ultra-Royalisten angeklagt, er habe durch seine freisinnigen Zugeständnisse den Mord des Herzogs mit veranlaßt; der Graf

Weitere Kostenlose Bücher