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Deutsche Geschichte

Deutsche Geschichte

Titel: Deutsche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Beduerftig
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religionspolitischen Maßnahmen zielten daher auf Bekenntnisfreiheit im ganzen Land und auf schärfere Trennung der Aufgaben von Kirche und Staat wenigstens in Preußen, dessen katholische polnische Bevölkerung nun rege wurde. Diese Politik kollidierte mit dem gerade zu dieser Zeit hochempfindlichen Selbstverständnis der Papstkirche, die soeben den Grundsatz der Unfehlbarkeit des Bischofs von Rom in Dingen des Glaubens und – für aufgeklärte Menschen eine unerhörte Anmaßung – der Sitte verkündet hatte.
    Kanzelparagraf
    Ausgerechnet das katholische und auf seine Selbständigkeit so bedachte Bayern lieferte Bismarck 1871 das Stichwort für den Auftakt zum Kulturkampf: Kultusminister Lutz beantragte bei der Reichsregierung, Geistliche mit Strafe zu bedrohen, die ihr Amt „politisch missbrauchten“. Bismarck griff die Initiative gern auf, und trotz der Bedenken der Liberalen, dass dadurch ein Klima des Denunziantentums entstehen könne, wurde der Straftatbestand „Kanzelmissbrauch“ mit Reichsgesetz vom 10.12.1871 als Paragraf 130a ins Strafgesetzbuch geschrieben. Geistliche, die Angelegenheiten des Staates „in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise“ behandelten, mussten danach mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren rechnen. Die Gerichte des Reiches waren sehr zurückhaltend in der Anwendung dieses höchst dehnbaren Kanzelparagrafen. der erst 1953 aufgehoben wurde
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Kulturkampf
    Mit einer Reihe von Gesetzen und Verordnungen versuchte Bismarck den politischen Einfluss der katholischen Kirche einzudämmen: Schließung der katholischen Abteilung im preußischen Kultusministerium (8.7.1871), Kanzelparagraf (10.12.1871, siehe Kasten), Gesetz über die Schulaufsicht (11.3.1872), Auflösung des Jesuitenordens (4.7.1872), staatliche Aufsicht über Priesterausbildung und Seminare (1873), Einführung der Zivilehe im Reich (1874/75) u.a. Die daraus resultierenden Konflikte mit der Zentrumspartei, mit Bischöfen, Priestern und Orden wurden nach einem Wort der berühmten Arztes Rudolf Virchow als „Kulturkampf“ bezeichnet, denn die Liberalen und die Fortschrittspartei kämpften an Bismarcks Seite für die Rettung eines aufgeklärten, humanistisch geprägten Staates, den sie vom Eiferertum der „Pfaffen“ gefährdet sahen.
Stärkung der Katholischen Partei
    Doch weder diesem ideologischen, noch dem Bismarckschen politischen Angriff gelang der Durchbruch. Priester verweigerten den Gehorsam, Bischöfe gingen lieber ins Gefängnis, die Gläubigen reagierten mit vermehrter Wahl des Zentrums, das aus dem seit 1880 gemilderten und 1887 beendeten Konflikt fast in doppelter Stärke hervorging. Die Macht des Papstes war zwar nicht von dieser Welt, reichte aber weiter in sie hinein als vermutet. Auf lange Sicht bewährte sich die erfolgreich durchgesetzte staatliche Oberaufsicht über die Schulen ebenso wie die Zivilehe dennoch in den folgenden immer kirchenferneren Zeiten. Die katholische Bevölkerung freilich wurde dem protestantischen Staat der Hohenzollern durch den Kulturkampf nachhaltig entfremdet.

Bismarck beim Schachspiel gegen Papst Pius IX. (Pontifikat 1846–1878); Paragrafen und Verlautbarungen sind die Figuren; Karikatur von Wilhelm Scholz, Kladderadatsch, Ausgabe 1875
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    (c) Interfoto, München: S.

Zu später Kurswechsel
Die Sozialpolitik Bismarcks (1881–1889)
    Bei Ende der Ära Bismarck stand Deutschland unter allen Industrienationen sozialpolitisch mustergültig da, und doch war die Kluft zwischen der Arbeiterschaft und dem Staat eher gewachsen. Repressive Maßnahmen wie das Sozialistengesetz (siehe Kasten) hatten zu nachhaltiger Entfremdung geführt. Gerade das hatte Bismarck immer vermeiden wollen, indem er sich schon 1863/64 bei seinen Gesprächen mit dem Publizisten und linken Politiker Lassalle über die Arbeiterfrage informierte und indem er nach der Reichsgründung die staatliche Pflicht zur Sorge für das Wohl der geeinten Gemeinschaft ausdrücklich bejahte. Mit Rücksicht auf das Besitzbürgertum in den liberalen Parteien unterblieb aber lange eine gesetzgeberische Initiative; der Unterdrückung des politischen Gegners von links wurde der Vorzug eingeräumt und damit der Graben zu den unteren Schichten so vertieft, dass er sich später nur noch unvollkommen überbrücken ließ.
Die „Novemberbotschaft“ des Kaisers
    Zu spät kam der Kurswechsel, eingeleitet durch die von Bismarck veranlasste Novemberbotschaft des Kaisers vom 18.11.1881, die eingestand, dass „die

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