Deutsche Geschichte
sich mit Frankreich auf der Kongokonferenz 1885 und konnte so die von deutschen Kaufleuten erschlossenen kolonialen Regionen als „Schutzgebiete“ des Reiches sichern. Das strategische Fenster schloss sich freilich rasch wieder, so dass es weitgehend bei den im ersten Anlauf genommenen Kolonien blieb. Ein weiterer Erfolg der von Bismarck geleiteten Konferenz betraf die Neutralisierung des gesamten Kongo- Beckens, ein Verbot des Sklavenhandels und die Vereinbarung, nie farbige Soldaten auf europäischen Kriegsschauplätzen einzusetzen. Daran hielten sich die großen Kolonialmächte später allerdings nicht.
Deutsch-Ostafrika
„Enthusiast für koloniale Unternehmen“ (Reichstagsrede 26.1.1889) sei er wahrlich nicht, bekannte Bismarck mehrmals. Er habe sich nur dem Druck der Öffentlichkeit gebeugt, als er deutsche Kolonien akzeptierte. Wenn schon Kolonialpolitik, dann solle diese nicht von Bürokraten, sondern von Kaufleuten gemacht werden. Insofern kam ihm die Art des Erwerbs der etwa eine Millionen Quadratkilometer großen Kolonie Deutsch-Ostafrika entgegen, die rund 7,6 Millionen Einwohner hatte. Sie wurde nämlich durch Kauf von Carl Peters (1856- 1918) und seiner „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ Ende 1884 zusammengebracht. Der „energische kleine Kerl“, wie Bismarck über Peters urteilte, schloss Verträge mit Häuptlingen in der Gegend zwischen Victoriasee und Njassasee und erhielt für das Gebiet am 27.2.1885 einen kaiserlichen Schutzbrief. Dass Bismarck mit seinen Vorbehalten gegen koloniale Erwerbungen recht gehabt hatte, bewiesen zahlreiche Aufstände der Eingeborenen nach 1890 in Deutsch-Ostafrika (schlimmer noch in Deutsch-Südwestafrika). Das Reich, das am 1.1.1891 die Verwaltung übernahm, musste mehrfach militärisch einschreiten. Hinzu kam der Konflikt mit anderen Kolonialmächten, den Bismarck ebenfalls vorausgesehen hatte, als er feststellte: „Die Freundschaft mit Lord Salisbury (1830- 1903, britischer Premierminister 1885-92) ist mir mehr wert als zwanzig Sumpfkolonien in Afrika.“
Bismarck hatte zu Recht gewarnt: Koloniale Ambitionen hatten ihren Preis. Schon wenige Jahre nach der Aneignung des „Schutzgebiets“ Deutsch-Südwestafrika kam es zu Aufständen des Stammes der Hereros. Foto: Deutsche Soldaten mit gefangenen Eingeborenen
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(c) akg, Berlin: S.
Reichsgründer entlassen
Das Ende der Ära Bismarck (1890)
Das Reichsschiff war noch lange nicht in sicheren Gewässern, als der allerhöchste Kapitän auf seinen Lotsen meinte verzichten zu können. Dass das so einfach möglich war, lag an der halbabsolutistischen Konstruktion des Reiches. Bismarck war auch schon in früheren Situationen nur die Drohung mit dem Rücktritt geblieben, wenn er Wilhelm I. auf seinen Kurs bringen wollte. Zwischen Ernst und Drohung bewegte sich dann das Entlassungsgesuch, das tatsächlich zum Ende der Ära Bismarck führen sollte. Schlüsseldatum dafür war das Dreikaiserjahr 1888, als Wilhelm I. und sein Sohn Friedrich III. starben. Viele begriffen die Zäsur zunächst nicht, sahen sie sogar als Chance, und auch der profunde Menschenkenner Bismarck gab sich lange Illusionen hin. Zwar erkannte er schon 1882, dass der kommende Kaiser Wilhelm II. selbst würde regieren wollen, doch sah er darin eher eine Garantie dafür, dass eine Parlamentsherrschaft ausgeschlossen blieb.
Februarerlasse
Seinen Kanzler links überholen wollte Wilhelm II. schon bald nach der Machtübernahme (15.6.1888), aber nicht etwa weil ihm das Elend der arbeitenden Massen so zu Herzen ging, sondern weil er sich auf Kosten Bismarcks als „sozialer Kaiser“ zu profilieren gedachte. Am 4.2.1890 verbreitete er daher zwei Erlasse ohne Gegenzeichnung des Kanzlers: Der erste bezog sich auf eine Arbeiterschutzkonferenz, die dann auch vom 15.-29.3.1890 in Berlin tagte, aber nichts als heiße Konferenzluft produzierte. Der zweite, ernstere, mahnte die Überprüfung der sozialen Lage der Arbeiter an und zielte auf Maximalarbeitstag, ausreichende Freizeit, Beschränkung der Frauen- und Verbot der Kinderarbeit. Rasch aber machte der Gegenwind aus Großindustrie und Großkapital dem Kaiser klar, dass er sich vergaloppiert hatte. Eilends wurde Schadensbegrenzung betrieben, so dass die sozialpolitischen Vorstellungen von Kaiser und Kanzler bald wieder ganz zur Deckung kamen. Menschlich aber war die Beziehung am Ende
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Peinliche Lobhudeleien
Immer deutlicher aber wurde schon nach kurzer Amtszeit, dass sich der junge Monarch nicht
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