Deutsche Geschichte
Zentrumspolitiker Matthias Erzberger, war knapp ein Jahr zuvor ebenfalls von OC-Mitgliedern erschossen worden.
Dolchstoßlegende
Nach den ausufernden Siegesfantasien im Weltkrieg laborierten viele Nationalisten noch lange an der Niederlage vom November 1918 und flohen in Realitätsverleugnung. Sie verbreiteten die Mär, das „im Felde unbesiegte“ Heer sei von der revoltierenden Heimat „von hinten erdolcht“ worden (Hindenburg am 18.11.1919 vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss). Mit dieser Dolchstoßlegende attackierten die Rechten in der Folgezeit die junge Demokratie als eine „Republik der Novemberverbrecher“. Dass die Politiker 1918 auf dringenden Rat der Obersten Heeresleitung den Krieg beendet hatten, wurde besonders gern gerade von den Befehlshabern bestritten, allen voran von Ludendorff, der auf Waffenstillstandsersuchen bestanden hatte. Die Militärs hatten es dann wohlweislich vermieden, das entsprechend harte Diktat der Sieger zu unterschreiben, und Politiker vorgeschickt
.
Parteiische Justiz
Anschläge gegen Juden, Sozialdemokraten und andere konnten mit Beifall der Rechten und der bürgerlichen Schichten rechnen, die Täter mit einer milden Behandlung durch eine Justiz, die „auf dem rechten Auge blind“ war. Nach Rathenaus Tod wurde ein Gesetz zum Schutz der Republik erlassen, auf dessen Grundlage staatsgefährdende Umtriebe hätten verfolgt werden können. Das geschah leider nur allzu selten. An der hasserfüllten Agitation von rechts vermochte das Gesetz sowieso nichts zu ändern.
Plakat der Reichsregierung zum heimtückischen Anschlag auf ihren Außenminister. Demokraten lebten gefährlich, erfolgreiche besonders
.
(c) dpa/Picture-Alliance, Frankfurt: S.
Galoppierende Inflation
Versailles und die Folgen (1919–1923)
Mit großem Pathos erinnerte man sich später an die Kämpfe des schweren Jahres 1923. Die harten Auflagen der Sieger, der tiefe Schmerz über den Verlust der politischen Bezugsgrößen, der Sturz aus allen Siegesträumen – all dies belastete das Klima in der jungen deutschen Republik nach 1918. Aufstände, Putsch-Versuche und desolate wirtschaftliche Verhältnisse waren die Folge. Vier Mark zwanzig pro Dollar – das war lange die Faustregel. Der Krieg zerstörte auch diese scheinbar eherne Gleichung: Im Juli 1919 musste man schon 14, zwei Jahre später 76, im Juli 1922 dann fast 500 und im Jahr drauf 353 412 Mark für den begehrten grünen Schein hinblättern. Den Gipfel erreichte der Kurs am 15. November 1923 mit 4,2 Billionen – 4200 Milliarden – Reichsmark.
Wie kam es zur galoppierende Schwindsucht der deutschen Währung? Es waren viele Faktoren, die sich addierten, multiplizierten und schließlich potenzierten: Kreditfinanzierung des Krieges, untragbare Entschädigungszahlungen, Geldschöpfung (Nachfrageüberhang) als zeitweiliger Notbehelf, Kriegsfolgelasten, Devisenspekulationen, Kapitalflucht. Schuldnern kam die Geldentwertung wie gerufen. Andererseits wurden die Sparguthaben der kleinen Leute und die Betriebskapitalien der mittelständischen Unternehmen vernichtet. Sachwerte waren jetzt Trumpf.
Auch für die Sieger, allen voran für die auf die deutschen Reparationen besonders angewiesenen Franzosen. Sie achteten peinlich genau auf die Einhaltung der deutschen Lieferungen (vor allem Holz und Kohle), und als die Fristen dafür zeitweise nicht gehalten werden konnten, wurde „Faustpfandpolitik“ betrieben: Am 9.1.1923 besetzten belgische und französische Truppen das Ruhrgebiet. Eine Welle der Erbitterung ging durch Deutschland und führte zur Solidarisierung von links bis rechts. Ohne Rücksicht auf die leeren Kassen und die ohnehin rasante Inflation unterstützte auch die Reichsregierung den „Ruhrkampf“.
Erfüllungspolitik
Das geschlagene Deutschland hatte nach 1918 kaum politischen Spielraum. Die Siegermächte wachten über die Einhaltung der Friedensbedingungen und drohten bei Abweichungen mit militärischen Konsequenzen. In dieser Lage versuchten die Reichskanzler, die Unerfüllbarkeit des Versailler Vertrags durch strikte Erfüllung seiner Forderungen zu belegen. Das nutzte ihnen weder außenpolitisch noch im Innern: Bei den ersten Lieferengpässen des Reiches besetzten französische Truppen 1923 das Ruhrgebiet (siehe Text). Die Rechten in Deutschland, vor allem die NSDAP, brandmarkten diese Erfüllungspolitik als „würdelos“ und „selbstmörderisch“. Selbst als Außenminister Stresemann sie nach 1925 zur
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