Deutsche Geschichte
Verständigungspolitik gewandelt hatte, wurde sie von vielen als Unterwürfigkeit empfunden, obwohl kaum andere Möglichkeiten bestanden. Die auch durch eben diese Politik aufgestaute Wut über die Demütigungen seit 1918 untergrub die Fundamente der Republik
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Drakonische Gegengewalt
Die Spirale der Gewalt begann sich zu drehen: Den Besatzern wurden Dienstleistungen verweigert, Reparationszahlungen hörten ganz auf, Betriebe schlossen, Binnenschiffer blockierten die Kanäle durch Selbstversenkung, Telegrafieverbindungen brachen zusammen, Gleise flogen in die Luft. Entsprechend drakonisch fielen die Gegenmaßnahmen aus. Spektakulärster Fall wurde das Todesurteil gegen den 28-jährigen Weltkriegsoffizier Albert Leo Schlageter, der nach einem Anschlag auf eine Bahnlinie verraten worden war. Appelle an den französischen Ministerpräsidenten Poincaré blieben erfolglos: Auf der Golzheimer Heide bei Düsseldorf machten französische Kugeln am 26.5.1923 den kleinen Freikorpsmann zum großen Märtyrer.
Ein hohes Kreuz erinnerte auf der Golzheimer Heide an den „Blutzeugen“ des Ruhrkampfes: 1931 errichtetes Schlageter-Denkmal von Architekt Clemens Holzmeister (1886-1983)
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(c) dpa/Picture-Alliance, Frankfurt: S.
Putsch in München
Hitlers Marsch zur Feldherrenhalle (1923)
Die Republik brodelte weiter. Der Ruhrkampf hatte die Kräfte des Reiches gründlich erschöpft. Dem im August 1923 berufenen neuen Reichskanzler Gustav Stresemann (1878-1929) blieb nur die Rückkehr zu der von der politischen Rechten erbittert bekämpften Erfüllungspolitik, wenn er sich auch bemühte, Gegenleistungen der Siegermächte zu erreichen. Dieser von den Nationalen als „Einknicken“ empfundene Kurs und umlaufende Gerüchte, ein kommunistischer Staatsstreich in Sachsen stehe bevor, riefen einen Mann auf den Plan, der bisher nur in bayerischen Rechtskreisen Furore gemacht hatte:
Komplizen auf Distanz
Der österreichische Agitator Adolf Hitler (1889-1945), seit 1919 Führer der kleinen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), fühlte sich stark genug, nach dem Muster der italienischen Faschisten unter Mussolini zum Marsch auf Berlin zu blasen. Am Abend des 8. November erklärte er in einer Massenversammlung im Bürgerbräu-Keller in München die bayerische und die Reichsregierung sowie Reichspräsident Ebert für abgesetzt und proklamierte eine „provisorische deutsche National-Regierung“. Die konservativen Komplizen Hitlers aus Polizei, Politik und Reichswehr aber sagten sich noch am Abend von ihm los und verlegten die bayerische Regierung nach Regensburg, so dass ihm als Verbündeter nur der allerdings sehr populäre Weltkriegs-Feldherr Ludendorff blieb.
Mildes Urteil für den Ausländer Hitler
Mit ihm versuchte Hitler am nächsten Morgen das Blatt noch zu wenden mit einem Marsch seiner Anhänger durch die Münchener Innenstadt. Doch die Bevölkerung ließ sich dadurch nicht mehr gewinnen. Vor der Feldherrnhalle brach der Hitler-Putsch im Feuer von Landespolizei und Reichswehr zusammen. Drei Polizisten und sechzehn Anhänger Hitlers kamen ums Leben; er selbst floh, wurde aber zwei Tage später in Uffing am Staffelsee verhaftet. Von Februar bis April 1924 stand er vor Gericht und fand kaum verhohlen mit ihm sympathisierende Richter. Die Strafe – fünf Jahre Festungshaft – war eine eher symbolische, wussten doch alle Beteiligten, dass der Putschist nur einen Bruchteil davon in komfortabler Unterkunft würde absitzen müssen.
Hamburger Aufstand
Die Furcht vor einem kommunistischen Aufstand war nicht ganz unbegründet: Der KPD schien bei galoppierender Verelendung aufgrund der Hyperinflation im Herbst 1923 die Stunde zur Vollendung der 1918 erstickten Revolution gekommen; sie wollte in Anlehnung an die Oktoberrevolution in Russland einen „deutschen Oktober“ und versuchte ihn durch ein Fanal an besonders geeigneter Stelle auszulösen. Die Zeitpunkt schien günstig, denn die Reichswehr war in Sachsen beschäftigt, und Hamburg schien als Ort ebenfalls günstig wegen seiner starken Arbeiterschaft und weil ein Streik im Hafen eine explosive Situation geschaffen hatte. Am 23.10.1923 schlugen 300 Aktivisten der Partei, die im Bezirk Wasserkante über 18 000 Mitglieder verfügte, los, stürmten 17 Polizeistationen, bewaffneten sich und gingen vor der anrückenden Polizei auf Dächern und hinter Barrikaden in Deckung. Im Grunde war der Aufstand schon am selben Abend gescheitert, nur im Stadtteil Barmbek hielten die
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