Deutsche Geschichte
der eine Demokratisierung zu lange blockiert hatte. Das Volk hatte darüber die Geduld verloren, erste Streiks gab es schon 1917, und 1918 verweigerten schließlich die Matrosen der Hochseeflotte selbstmörderische Befehle und gaben damit Anfang November das Signal zur „deutschen Revolution“:
Unzufriedenheit im Volk
Die Nachricht von der Kapitulation, denn nichts anderes war der Waffenstillstand vom 11. November, traf die Deutschen wie ein Keulenschlag. Erbitterung gegen die obersten Repräsentanten des bankrotten Systems war die logische Folge; und als klar war, dass die Sieger nur mit einem demokratisierten Deutschland in sinnvolle Verhandlungen einzutreten bereit waren, da rührte sich keine Hand mehr für Fürsten und Kaiser. Selbst jene Schichten, die bisher den Thron gestützt hatten – Hochfinanz, Schwerindustrie, Militär und Großgrundbesitz – entdeckten ihre republikanische Seele und setzten auf Sozialdemokraten und Gewerkschaften.
Spartakusaufstand
Fast einstimmig, aber eben nur fast, hatte die SPD 1914 den Kriegskrediten zugestimmt. Die damit Probleme gehabt hatten, deren Gewissen schlug immer lauter, und am 1.1.1916 bildeten sie den Spartakusbund, benannt nach dem Anführer des Sklavenaufstands im antiken Rom. Im April 1917 spalteten sie sich von der SPD ab und gründeten die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD). Sie trug seit November 1918 nur halbherzig den politischen Kurs Eberts mit und rief Ende Dezember 1918 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ins Leben. Politischer Widerstand allein aber schien vielen, vor allem Rosa Luxemburg (1871-1919) und Karl Liebknecht (1871-1919) zu wenig, sie wollten mit einem Aufstand die Revolution neu beleben. Am 15.1.1919 schlugen sie in Berlin los, doch der Funke zündete nicht. Freikorpseinheiten erstickten die Erhebung blutig. Die beiden Anführer wurden verhaftet und ermordet
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Gefahr im Verzuge
Die SPD ihrerseits suchte die Zusammenarbeit mit den kaiserlichen Offizieren und Beamten. Die Linksradikalen, die 1917 von der SPD abgespaltenen Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD), wollten dagegen Sturz und Enteignung aller Dynastien. Ebert aber und die seinen, die „Mehrheitssozialisten“, hielten mit der Einführung der parlamentarischen Demokratie das Ziel der Umwälzung für erreicht. Doch da war Gefahr im Verzuge: Überall liefen Truppen zu den Meuterern über, Arbeiter- und Soldatenräte übernahmen die Macht. Die Regierung Ebert, ein von SPD und USPD paritätisch besetzter Rat der Volksbeauftragten in Berlin, wollte das in geordnete Bahnen lenken. Ebert nahm heimlich Kontakte zur Obersten Heeresleitung auf. Das Bündnis Militär-SPD stoppte den Umsturz und führte zu einem verhängnisvollen Bruderzwist innerhalb der deutschen Linken; verbittert skandierten Demonstranten: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“ Die Monarchie war tot. Aber was brachte ihr Untergang? Ein entsprechender gesellschaftlicher Umbau unterblieb.
Er kam dem Sozialisten Liebknecht zuvor: Am 9. November 1918 rief SPD-Politiker Philipp Scheidemann (1856-1939) von einem Fenster des Reichstagsgebäudes die Republik aus
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(c) Interfoto, München: S.
Friedensdiktat
Der Versailler Vertrag (1919)
Dort, wo vor einem halben Jahrhundert das deutsche Kaiserreich aus der Taufe gehoben worden war, verhandelten die Sieger 1918/1919 über das Schicksal eben dieses geschlagenen Reiches: in Versailles. Der von ihnen ohne Mitwirkung Deutschlands verabschiedete Versailler Vertrag wurde ein Dokument der ungezügelten Rache, so drastisch, dass die verhandelnde Führungsmacht nicht unterschrieb. Die USA hatten zwar manche überkrasse Forderung der Franzosen unter ihrem Ministerpräsidenten George Clemenceau (1841-1929) mildern können, doch das „Schanddiktat“, wie man ganz allgemein in Deutschland sagte, letztlich nicht zu verhindern vermocht. Unter der Drohung der Alliierten, den Krieg wieder aufzunehmen, knickte die Reichsregierung schließlich ein. Außenminister Müller (SPD) und Verkehrsminister Bell (Zentrum) unterzeichneten am 28.6.1919 den Friedensvertrag. Reichskanzler Scheidemann (SPD) aber trat tief bestürzt zurück: „Welche Hand müsste nicht verdorren, die sich und uns in solche Fesseln legt?!“
Reparationen
Die Deutschland auferlegten Reparationen waren als Übernahme der Kriegskosten und zugleich als Bestrafung gedacht. Die Gesamtforderung belief sich auf 226 Milliarden Goldmark und ließ eine Erholung Deutschlands auf Jahrzehnte hinaus unmöglich
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