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Deutschland allein zu Haus

Deutschland allein zu Haus

Titel: Deutschland allein zu Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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Vorsitzende der heute spontan gegründeten Bürgerbewegung zum Schutze der deutschen Bevölkerung, der ›Skinhääd-Allianz‹, sagte, dass einige Passanten beobachtet hätten, wie sich die ausländischen Mörder nach der brutalen Tat in einem türkischen Dönerladen verschanzt haben. Die Polizei bittet um tatkräftige Unterstützung seitens der Bevölkerung, um diese blutrünstigen Bestien hinter Schloss und Riegel zu bringen …«
    »Was ist denn diese ›Skinhääd-Allianz‹ wieder für ein neuer Mist?«, schimpft Hans’ Mutter völlig aufgebracht.
    »Die ›Skinhääd-Allianz‹ sind Schlägertrupps und die gibt’s schon seit Wochen, von wegen heute ›spontan gegründet‹«, flucht Hans. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass an dieser Geschichte mit dem angeblichen Rentnermord kein einziges Wort wahr ist!«
    »Herr Engin, ich muss leider gestehen, ich finde Ihren Plan, Deutschland zu verlassen, nicht gerade sehr mutig. Sobald die Luft hier ein bisschen ungemütlich wird, wollen Sie sofort abhauen! Ich würde sogar sagen, sehr unfair gegenüber denen, die bleiben müsssen und den ganzen Mist auslöffeln dürfen«, meint Hans’ Mutter schon wieder etwas vorwurfsvoll.
    »Ich würde auch gerne bleiben und auslöffeln, aber meine Frau empfindet das Leben hier mittlerweile als ausgesprochen ungemütlich, um nicht zu sagen lebensbedrohlich«, murmele ich kleinlaut. »Eminanim sagt, was sollen wir auch in einem Land, das diese Partei mit so vielen Abgeordneten ins Parlament wählt, anstatt sie zu verbieten?«
    »Ich kenne diese Idioten noch von damals. Diese Krawallmacher gehen nach ein paar Jahren auch wieder.«
    »Mein Sohn Mehmet ist der Meinung, dass die Amerikaner wegen den Nazis nicht noch mal in der Normandie landen werden! Der Irak und Afghanistan haben denen total gereicht. Deswegen ist es etwas fraglich, ob die nach ein paar Jahren wieder gehen. Aber ich muss jetzt wirklich gehen.«
    »Wenn alle gehen, bekomme ich bald nicht mal mehr Rente, geschweige denn Pfleger«, spricht sie mehr zu sich selber als zu mir.
    Ich verabschiede mich schnell von den beiden – höchstwahrscheinlich für immer – und laufe zur Tür.
    Im Rausgehen höre ich noch, dass auf ein Konferenzgebäude in Berlin ein Brandanschlag verübt worden und das ganze Haus in Flammen aufgegangen sein soll! Viele der Teilnehmer hätten sich mit Rauchvergiftungen ins Freie gerettet, bei einigen kam aber jede Hilfe zu spät! Der Vorsitzende der Grünen und 2 Gewerkschafter, die an dieser Tagung teilgenommen hatten, wurden als Brandstifter festgenommen! Die Beweislage sei erdrückend und gegen 7 weitere Personen des öffentlichen Lebens werde noch ermittelt, meldet die Nachrichtensprecherin.
    Als ich das Viertel mit den vielen ausländischen Geschäften und Imbissen erreiche, bietet sich mir ein unglaubliches Bild der Verwüstung.
    Auf den Straßen jede Menge Rechtsradikale, aber kein einziger Polizist weit und breit!
    Jetzt kann ich Deutschland ruhigen Gewissens ein für alle Mal verlassen, ohne diesem Land eine einzige Träne nachzuweinen …

35 Als unsere tagelangen Versuche, Flugtickets zu ergattern, immer wieder fehlschlugen, haben wir uns entschieden, wie in der guten alten Zeit, die Reise in die Türkei mit unserem Ford-Transit anzutreten. Den armen Franz-Josef hier alleine zurückzulassen, kam für mich sowieso nicht infrage.
    »Ich muss zugeben, nach den gestrigen Ereignissen fällt es mir überhaupt nicht schwer, diesem Deutschland den Rücken zu kehren«, meint meine Frau erleichtert, dass es endlich losgeht.
    Ich konnte heute nicht mal eine Zeitung kaufen, weil mittlerweile die Zeitungsläden und die Geschäfte völlig unvermittelt mitten in der Woche schließen, und einen real existierenden türkischen Döner- oder Gemüseladen gibt es ohnehin schon lange nicht mehr. Apropos real existieren: Deutschland sieht heute genauso trostlos und heruntergekommen aus wie die damaligen real existierenden kommunistischen Staaten Jugoslawien und Bulgarien, als wir in den Achtzigerjahren dort mit unserem Ford-Transit durchfuhren. Doch nicht mal in diesen Ländern waren die Straßen damals so voller Müll …
    Aber zumindest ist es unglaublich befriedigend, allen meinen Freunden und ›Freunden‹ auf ihre dringlichste Frage»Na, Osman, wann gehst du wieder zurück in die Heimat?« endlich eine Antwort geben zu können:
    »Jetzt! Jetzt! Jetzt! Heute! Heute gehe ich wieder zurück!«
    Denn seitdem ich an einem Morgen in diesem Abendland angekommen

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