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Deutschland allein zu Haus

Deutschland allein zu Haus

Titel: Deutschland allein zu Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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zu den 160 500, die stündlich darauf warten? Oder zu den 350 000, die freiwillig wegzogen?«
    »Weder noch! Schau dir doch diesen Artikel hier an«, knurre ich und stecke ihre Nase noch mehr in die Zeitung. »Hier, lies doch: Der Innenminister hat alle Chefredakteure der großen Zeitungen ins Kanzleramt eingeladen.«
    »Und? Was hat das mit Mehmet zu tun?!«
    »Was das mit Mehmet zu tun hat, fragst du? Na, hör mal, Mehmet ist doch der einzige Mitarbeiter seiner eigenen Zeitung und somit ist er auch automatisch der Chefredakteur!«
    »Hier steht doch klar und deutlich, dass alle Chefredakteure von großen Zeitungen eingeladen worden sind.«
    »Der Begriff ›groß‹ ist doch so dehnbar wie Kaugummi!«
    »Wie weit kannst du eine vierseitige Broschüre denn dehnen, dass daraus eine große Zeitung werden kann?«, bringt sie mühsam hervor und fängt erneut an zu heulen. »Mein Gott, wieso ruft er nicht mal an oder schreibt eine Imäil?«
    »Er hat bestimmt Schiss«, meint Nermin. »Er weiß doch, dass alles abgehört oder kontrolliert wird in diesem Land!«
    »Eminanim, Nermin hat völlig recht. Die Faschos würden Mehmet zu gern seinen sturen Kopf abreißen«, versuche ich meine Frau zu trösten. Aber selbst mir bleibt verborgen, was daran tröstlich sein soll.
    Zum Glück kommt mir meine Tochter Nermin wieder zu Hilfe:
    »In solchen Krisenzeiten, wo nur noch unfähige, brutale Politiker das Sagen haben, obwohl sie außer dummem Zeug nichts sagen, werden die regierungskritischen und mutigen Blätter, mögen sie noch so klein und winzig sein und mögen sie auch von noch so verrückten Jugendlichen zusammengeschustert werden, plötzlich werden diese Blätter über Nacht zu den wichtigsten Zeitungen des Landes. Das ist doch immer so gewesen! Diese Idioten, die ja total hohl in der Birne sind, haben vor nichts mehr Angst als vor Kritik!Und wenn diese Kritik schön ironisch und subtil daherkommt, dann können sie damit erst recht nicht umgehen. Die Regierung wünscht sich sicherlich nichts sehnlicher, als dass er endlich mit seinen gehässigen Witzen über Nazis aufhört! Deshalb hofieren sie ihn jetzt vermutlich bis zum Gehtnichtmehr, damit er endlich die Klappe hält! Und der Mehmet genießt sein plötzliches Wichtigsein so sehr, dass er dabei völlig vergessen hat, dass wir in die Türkei fahren!«
    »Alle Ausländerkinder sind bis auf Weiteres vom Schulunterricht befreit worden! Die jeweiligen Schulbehörden in den einzelnen Bundesländern müssen die Ausländerquoten dem Bildungsministerium melden. Eine neu eingesetzte Arbeitsgruppe wird diese Daten auswerten und neue Ausländerquoten festlegen. Dementsprechend könnte sich danach ergeben, dass manche türkischen Schüler aus Schulen mit sehr hohem Ausländeranteil, wie zum Beispiel in Duisburg oder Dortmund, dann täglich zu einer Schule mit weniger Ausländeranteil gehen müssen. Zum Beispiel nach Greifswald oder Görlitz«, liest Eminanim aus der Zeitung vor.
    »Soll das ein Witz sein?«, frage ich, doch dann fällt mir ein, dass die gar keinen Humor haben.
    »Es gibt doch keine ausländischen Schüler mehr, somit sind die Hälfte der Lehrer und die Hälfte der Schulen überflüssig geworden«, meint Nermin.
    »Schrecklich! Was steht denn hier?«, zitiert meine Frau wieder aus dem ›Weser-Kurier‹. »Unser Aldi hat dichtgemacht!«
    »Stimmt, Aldi-Nord geht es ziemlich beschissen«, mischt sich wieder meine Tochter Nermin ein, »Aldi-Süd geht es sogar noch schlechter! In ihrer Not sind die Aldi-Brüder zusammengerückt und haben fusioniert. Es gibt jetzt nur noch einen Aldi!«
    »Waaas? In ganz Deutschland gibt es jetzt nur noch einen einzigen Aldi?«, frage ich völlig überrascht. »Gut, dass ich die Zeitung aus dem Müll gefischt habe. Sonst wüssten wir nichts von der Welt!«
    »Mehmet ist tot, Mehmet ist tot!«, schluchzt Hatice plötzlich und versetzt uns in helle Panik.
    »Waas? Mehmet ist tot?«, kreischt meine Frau entsetzt.
    »Papa hat es doch gerade selber gesagt!«
    »Hatice, träumst du? So was habe ich nicht mal gedacht!«
    »Doch! Du hast gesagt, Mehmet ist verschwunden.«
    »Aber verschwinden ist was ganz anderes als tot sein«, beruhige ich sie.
    »Nein, das ist doch das Gleiche!«
    »Quatsch! Das ist überhaupt nicht das Gleiche! Deine Katze war ja auch mal verschwunden – war sie deswegen tot?«, krame ich ein tolles Beispiel aus der jüngeren Familiengeschichte.
    »Ja, klar, sie wurde doch von einem blöden Lastwagen platt gefahren! Ich

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