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Deutschland allein zu Haus

Deutschland allein zu Haus

Titel: Deutschland allein zu Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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seit Jahr und Tag gebe ich mein ganzes Geld für Kosmetik, Klamotten und Schuhe aus. In der Disko wird kein Mädchen so doll angebaggert wie ich usw. usw. Noch mehr anpassen kann man sich ja wohl nicht! Aber nur weil ich angeblich irgendwelche komischen Wurzeln an den Hacken habe, darf ich jetzt nicht mal heiraten!«
    Meine Abschiedstour starte ich bei meinem alten Kumpel Hans, den ich seit Tagen nicht gesehen habe.
    Mein Arbeitskollege Hans, der beste Staplerfahrer von Halle 4 – beziehungsweise mein ehemaliger Arbeitskollege Hans, muss ich inzwischen wohl sagen –, wohnt seit einpaar Tagen wieder bei seiner Mutter. Bei Allah, wie schnell sich doch im Leben alles ändern kann! Aber Hans hat keine andere Wahl, weil der bettlägerigen alten Dame die beiden ausländischen Pflegerinnen abhandengekommen sind.
    »Ich kann das völlig nachvollziehen«, meint Hans’ Mutter ohne Groll, »selbst von meinen Nachbarn rechts und links mussten sich meine Polinnen gelegentlich dumme Sprüche im Flur anhören.«
    »Dann sollen doch Ihre Nachbarn Sie pflegen«, schlage ich vor.
    »Die bringen mir nicht mal ein Glas Wasser vorbei. Ich könnte hier jämmerlich krepieren, die würden keine Notiz davon nehmen«, meint sie ganz schön sauer. »Jahrzehntelang habe ich Unsummen von Geld in diese Pflegeversicherung eingezahlt. Und was habe ich jetzt davon?«
    »Mama, ich habe dir immer gesagt, gib das Geld lieber mir«, lacht Hans etwas verkrampft, um keine schlechte Laune aufkommen zu lassen.
    »Das Problem ist ja nicht neu. Meine Pfleger haben mir früher schon haarsträubende Geschichten erzählt. Die wurden vorher vielerorts nicht mal ins Haus gelassen, weil sie Ausländer sind. Stellt euch vor, diese Leute sind bereit, für ein Taschengeld den Deutschen ihre Scheiße vom Hintern zu wischen, und die sagen, nöö, lass mal stecken, du bist für mich ein Ausländer, hau ab!«
    »So genau will ich es mir nicht vorstellen«, kopiere ich schnell den Trick von Hans und lächele gekünstelt. »Das Ganze hat ja auch was Gutes, jetzt wohnen Sie wieder mit Ihrem lieben Sohn zusammen.«
    »Mein armer Hans weiß nicht mal, wie er mich alleine aufs Klo setzen soll. Und vor meinen Insulinspritzen hat der Junge mehr Angst als ich.«
    »Das habe ich bestimmt alles ganz schnell drauf. Wo ich doch jetzt mit meinen 55 Jahren endlich wieder in meinem ehemaligen hübschen Kinderzimmer wohne«, schmunzelt Hans und zeigt mir sein Zimmer, das seine Mutter 40 Jahre lang in weiser Voraussicht komplett unverändert gelassen hat.
    Auf dem Boden liegt eine Matratze als Bett mit Uwe-Seeler-Bettwäsche drauf. An den Wänden hängen noch die alten, vergilbten Poster von Abba, Nicole, Franz Beckenbauer und Pelé. Sogar den billigen Plattenspieler hat niemand weggeschmissen.
    »Ich habe damals versucht, mein ganzes Zimmer mit Postern vollzukleistern«, lacht Hans wieder. »Diese hellgrüne Tapete mit Elefanten und Bären, die meine Eltern ausgesucht hatten, war mir so was von peinlich! Mit 16 hatte ich die immer noch.«
    »Also mir gefällt’s hier unterm Dach bei dir«, mache ich ihm Mut, »die Farbe der Tapete ist fast die gleiche wie von meinem Ford-Transit.«
    Trotz der hübschen Tapete erscheint mir alles in diesem Haus doch sehr trostlos und traurig, und das nicht nur wegen der schlecht gelaunten bettlägerigen Frau im Schlafzimmer, deren Leben nur noch aus den Serien im Fernsehen besteht.
    »Meine Stammkneipe hat auch dichtgemacht«, seufzt Hans, als er mich nach unten bringt, »soll ich jetzt abends mit meiner Mutter zusammen gelangweilt in die Glotze starren, oder was?«
    »Nicht nur deiner Stammkneipe geht es so«, tröste ich ihn, »die ganze deutsche Gastronomie war ja fest in ausländischer Hand.«
    »Liebe Zuschauer, wegen eines höchst tragischen und zutiefst barbarischen Ereignisses sehen wir uns gezwungen,unsere Sendung zu unterbrechen«, meldet sich die Glotze der Mutter zu Wort. »Das deutsche Rentner-Ehepaar, das gestern in Süddeutschland von einer Gruppe ausländischer Gewalttäter auf offener Straße angegriffen und mit mehreren Messerstichen verletzt wurde, ist seinen Verletzungen erlegen. Die Täter sind leider unerkannt entkommen und konnten bis jetzt immer noch nicht ermittelt werden. Die polizeilichen Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Dabei werden die Kriminalbeamten inzwischen von zahlreichen freiwilligen Helfern unterstützt. Es sind ehrbare, zu Recht aufgebrachte Bürger, die diese schreckliche Tat nicht ungesühnt lassen wollen. Der

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