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Deutschland allein zu Haus

Deutschland allein zu Haus

Titel: Deutschland allein zu Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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versuche ich sie zu trösten und erreiche wie immer das Gegenteil.
    »Mein Gott, jetzt bin ich mir absolut sicher, dass ihm was zugestoßen ist! Mehmet hätte sich von allem freiwillig getrennt, aber niemals von seinem Telefon!«
    »Das stimmt. Ohne sein Händy geht der nicht mal aufs Klo«, bestätigt Nermin wieder aus den Tiefen des Ford-Transit.
    »Ohne meinen Sohn gehe ich auf gar keinen Fall irgendwohin«, stellt sich Eminanim weiter quer.
    »Aber ich habe meinen Job gekündigt, ich habe unsere Wohnung gekündigt. Ich habe den Strom gekündigt, ich habe das Wasser gekündigt, ich habe alle unsere Versicherungen gekündigt, ich habe unser Telefon gekündigt. Ich habe alles gekündigt, was zu kündigen war. Und wie du eben gesehen hast, habe ich sogar die Freundschaft zu unseren Nachbarn gekündigt! Wir können unmöglich hierbleiben!«
    »Wir können auch unmöglich ohne ihn weggehen! Ich habe meine Jugend Deutschland geopfert! Ich habe meine Gesundheit Deutschland geopfert! Aber meinen geliebten Sohn werde ich Deutschland ganz bestimmt nicht opfern!«
    Meinen Vorschlag, dass er ja, nachdem er seinen Rausch wo auch immer ausgeschlafen hat, nachkommen kann, akzeptiert sie nicht. Eminanim ist fest davon überzeugt, dass Mehmet was passiert sein muss – natürlich was ganz Schreckliches! Und zwar wegen seiner komischen Mini-Zeitung oder bei irgendeiner Demo gegen die Nazis. Sie klettert energisch aus dem Ford-Transit.
    »Osman, will deine Frau doch keine große Titten mehr?«, fragt Onkel Ömer reichlich irritiert

36 Mehmet kommt nicht!
    Auch nicht während der Nacht und auch nicht, als wir am nächsten Morgen frühstücken.
    Entweder haben seine Mädels ihm das Herz gebrochen oder die Nazis sämtliche Knochen, sodass er vorübergehend reiseuntauglich ist.
    Als ich den Müllberg vor unserem Haus betrachte, fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Es hat also unter Umständen doch einige Vorteile, wenn weder Müll noch Altpapier abgeholt werden.
    Ich muss die frohe Botschaft sofort meiner Frau überbringen!
    Wie ein kleiner Junge, der mit seinem Zeugnis in der Hand fröhlich von der Schule nach Hause hüpft, laufe ich mit dem etwas vergammelten ›Weser-Kurier‹ wedelnd zu meiner Frau.
    »Eminanim, Eminanim, hör endlich auf zu weinen, ich weiß, wo Mehmet ist«, jubele ich. Zwei knallrote Augen laufen sofort ins Wohnzimmer und starren mich hoffnungsvoll an:
    »Wo ist mein Sohn? Ist er schon hier?«, überschlägt sich ihre Stimme.
    »Nein, hier ist er nicht. Aber hier«, jubele ich und reiche ihr die Zeitung. »Lies doch selbst!«
    Neugierig reißt sie mir die Zeitung aus der Hand und verschlingt sie regelrecht.
    Nach einer Weile meint sie enttäuscht:
    »Spinnst du, der bewirbt sich doch nie im Leben für diese total bescheuerte Sendung ›Urwald-Cämp‹!«
    »Nein, das meine ich doch nicht. Den Artikel daneben sollst du lesen!«
    »Alle Schwulenbars werden geschlossen! Die Homosexualitätwird in Deutschland unter Strafe gestellt! Schwule gehen auf die Barrikaden! Du meinst, Mehmet ist in Wirklichkeit schwul? Das wüsste ich aber!«
    »Neeeiin, das meine ich auch nicht! Erst wenn Vielweiberei unter Strafe gestellt wird, dann müssten wir uns um Mehmet ernsthafte Sorgen machen.«
    »Meinst du etwa diese Anzeige hier? Ein findiger Arzt näht den muslimischen Männern das ›Spitzerl‹ wieder auf ihr Ding da unten dran.«
    »Spitzerl? Was ist denn das?«
    »Das, was bei der Beschneidung weggeschnippelt wurde.«
    »Weil die Ausländerbehörden inzwischen spontan Vorhaut-Razzien machen und ›zwielichtige Männer‹ untenrum kontrollieren«, fügt Nermin hinzu und denkt, dass sie mich damit aufgeklärt hätte.
    »Vorhaut-Razzien? Was soll das denn schon wieder sein?«
    »Die kontrollieren, ob sich womöglich beschnittene Türken unter falschem Namen als gute Deutsche getarnt haben. Und einige clevere Ärzte haben sich da jetzt auf ›Rück-Beschneidung‹ spezialisiert. Angebot und Nachfrage halt«, entpuppt sich Nermin als Vorhaut-Expertin.
    »Wie soll das denn gehen? Niemand hebt das Zeug doch 50 Jahre auf. Woher kriegen sie diese ›Spitzerl‹, die draufgenäht werden? Und was ist mit den Leuten, die aus hygienischen Gründen beschnitten werden? Stehen die auch automatisch auf der Terroristenliste?«
    »Osman, hör doch endlich auf damit! Welchen Artikel meinst du denn nun?«
    »Den Artikel direkt vor deiner Nase sollst du angucken.«
    »Meinst du, dass Mehmet zu den ausgewiesenen 15 720 Türken gehört oder

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