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Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)

Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)

Titel: Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos , Saskia Guddat
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zu den »üblichen Gebräuchen« gehören würde, Kinder zu misshandeln oder zu vernachlässigen: In Deutschland handelt es sich um Gesetzesverstöße, gegen die die zuständigen Behörden einschreiten
müssen.
    Doch die zynische Gleichgültigkeit gegenüber Kinderleid in Migrantenfamilien ist nur ein Steinchen im Mosaik des Verleugnens, Tabuisierens und Bagatellisierens der alltäglichen Gewalt gegen Kinder.
    Afrikanische oder türkische Eltern dürfen ihre krankenhausreif geschlagenen Kinder öfter mal wieder mit nach Hause nehmen, »weil es bei denen eben so zugeht«. Kinder aus deutschen Familien werden ihren Peinigern gleichfalls wieder ausgehändigt – nur mit der entgegengesetzten Begründung.
    Für die Kinder macht es keinen Unterschied. Sie werden so oder so verbrannt, verbrüht, verprügelt, vernachlässigt. In vielen Fällen werden unsere diesbezüglichen Gutachten überhaupt nicht angezweifelt – jedenfalls nicht ausdrücklich. Doch stattdessen werten die Entscheider in Staatsanwalts- oder Richterroben die Misshandlung eben als »Ausrutscher« – und liefern das Kind seinen Misshandlern wieder aus. Frei nach dem Motto: »Vielleicht ist ›es‹ ja wirklich passiert, aber eigentlich kommt so etwas in ordentlichen Familien doch nicht vor.«
    Da bewahrheitet sich wieder einmal die zynische Weisheit: »Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.« Wobei man allerdings hinzufügen müsste: »Außer es ist ihr Kind.«
     
    Der sechs Monate alte Henrik wurde mit massiven Symptomen eines Schütteltraumas in die Klinik gebracht: Krämpfe, Erbrechen, Apathie. Er war von seinen Eltern betreut worden, und beide beteuerten, es sei nichts Besonderes vorgefallen. Doch die Symptome sagten etwas anderes aus.
    Das Schütteltrauma führt in einem Fünftel bis einem Viertel aller Fälle zum Tod, bei unzähligen überlebenden Opfern zu schwerster geistiger und körperlicher Behinderung. Unstrittig ist es eine der massivsten Formen der Kindesmisshandlung (siehe Kapitel 4 ) – doch im Fall des schwerst geschüttelten Henrik beschloss der Staatsanwalt gleichwohl, das Verfahren nach kurzer Vorermittlung einzustellen.
    Wäre es zur Anklage gekommen, dann hätte sich die Anklagebehörde möglicherweise nicht leichtgetan, die Tat der Mutter oder dem Vater zweifelsfrei zuzuordnen. Doch das trifft auch auf viele ähnlich gelagerte Fälle zu, die trotzdem vor Gericht gebracht werden.
    Hier aber scheint sich der Staatsanwalt wieder einmal gesagt zu haben: »Die Eltern sind doch beide Akademiker – genau wie ich selbst. Und Leute wie wir machen so etwas einfach nicht.«
     
    Nicht nur Doktortitel haben sich als Schutzschilde für Kindesmisshandler sehr bewährt. Mitunter reicht auch schon eine Wachtmeister-Uniform.
    Der eineinhalbjährige Daris wird mit Knochenbrüchen an beiden Oberarmen ins Krankenhaus gebracht. Bei der rechtsmedizinischen Untersuchung stellen wir fest, dass die Bruchtypen keinesfalls mit einem Unfallgeschehen zu vereinbaren sind. In unserem Gutachten erläutern wir die Befunde und erklären, dass es sich unzweifelhaft um Folgen schwerer Körperverletzung handelt.
    Der Fall kommt vor das Familiengericht. Die Richterin zweifelt unsere Darstellung des Sachverhalts mit keinem Wort an. Gleichwohl ordnet sie an, den kleinen Daris seinen Eltern zurückzugeben. Schließlich sei der Großvater von Beruf Polizist – und folglich eine Vertrauensperson! In dieser Umgebung könne »so etwas« doch eigentlich nicht passieren.
    Eine entwaffnende Begründung, durch die nur leider wieder mal die Falschen entwaffnet wurden: nicht die Peiniger des Kindes, sondern alle, die sich für den Schutz des Kindes starkgemacht hatten.

Woran man Misshandler erkennt
    Selbst erfahrene Rechtsmediziner können nicht immer sofort erkennen, ob die Verletzungen eines Kindes auf einen Unfall oder auf Misshandlung zurückzuführen sind. Doch es gibt drei recht sichere Anzeichen, durch die sich Misshandler meist verraten.
    Misshandler lügen
    Lassen sich die klinisch festgestellten Verletzungen wirklich mit der Erklärung vereinbaren, die die Eltern zum Geschehensablauf beziehungsweise zur Ursache der Verletzung vorbringen? In Verdachtsfällen ist das die wichtigste Frage, die deshalb immer vorrangig überprüft werden sollte. Lautet die Antwort nein, dann handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um verschleierte Kindesmisshandlung.
    Echte Unfälle lassen sich fast durchweg nachvollziehbar erklären. Bei 40  Prozent der

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