Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)
sondern kann zum Wohl des Kindes weiter mit ihnen zusammenarbeiten.
Die elterlichen Misshandler werden allerdings in vielen Fällen trotzdem befürchten, dass man ihnen in der Klinik auf die Spur kommt. Der Kinderarzt darf sich daher nicht damit begnügen, das misshandelte Kind zu überweisen – er muss sich durch einen Anruf in der Klinik vergewissern, dass es dort auch wirklich ankommt. Bei diesem Telefonat sollte er den Kollegen in der Klinik offenbaren, dass er die Symptome seines kleinen Patienten verdächtig findet.
Was allerdings voraussetzt, dass er sich zumindest ein paar rechtsmedizinische Grundkenntnisse angeeignet hat. Und dass er nicht zu jenen Kinderärzten vom »alten Schlag« gehört, für die das Recht der Eltern im Zweifelsfall mehr als das Wohl der Kinder zählt.
Elternrecht kontra Kindeswohl
Schon nach derzeitiger Rechtslage könnten die Kinder- und Jugendärzte also viel früher, öfter und entschiedener bei Verdachtsfällen aktiv werden. Weder die gesetzliche Schweigepflicht der Ärzte noch das – allerdings schwammig formulierte – Bundeskinderschutzgesetz legen ihnen Steine in den Weg.
Da sie jedoch von sich aus erwiesenermaßen viel zu selten initiativ werden, muss bei Verdacht auf Kindesmisshandlung eine Reaktionspflicht der Ärzte gesetzlich definiert und verankert werden. Diese sollte unbedingt auch eine Verpflichtung zur umfassenden Dokumentation der misshandlungsbedingten Verletzungen und Symptome einschließen.
Auch hier muss der Gesetzgeber dringend handeln: Nach jetziger Rechtslage können Eltern schlichtweg verbieten, dass ihr Kind bei Verdacht auf Kindesmisshandlung beispielsweise im Computertomographen ( CT ) untersucht wird. Die Ärzte dürfen ihm ohne schriftliche Genehmigung der Sorgeberechtigten nicht einmal Blut abnehmen. Im Zweifelsfall können die Eltern den Spieß umdrehen und den Arzt, der ihr Kind »unerlaubt« untersucht, wegen Körperverletzung anzeigen!
Das führt in der Praxis nicht selten zu grotesken Konsequenzen. Solange die Kinder sicher in der Klinik sind und nicht von ihrer Mutter oder ihrem Vater mit nach Hause genommen werden, nimmt das Jugendamt sie meist nicht in Obhut. Das gilt auch dann oftmals, wenn die Polizei den mutmaßlichen Täter mitgenommen hat. Aus seiner Sicht handelt das Jugendamt durchaus logisch: Die alleinerziehende Mutter beispielsweise, die das Kind mutmaßlich misshandelt hat, sitzt ja in Polizeigewahrsam, für das Kind besteht also keine akute Gefahr mehr. Außerdem ist eine Inobhutnahme durch das Jugendamt auch nur für einen Tag gültig, dann muss ein Familiengericht entscheiden, was mit dem Kind passiert.
Die behandelnden Ärzte allerdings müssen nun vor jeder neuen Untersuchung die Polizei bitten, Kontakt zur Mutter aufnehmen zu dürfen. Für potenzielle Täter ist es zweifellos angenehm, wenn die von ihnen begangenen Körperverletzungsdelikte nur mit ihrer Zustimmung untersucht werden dürfen. Für die Opfer aber bedeutet es, dass gefährliche Verletzungen unter Umständen unentdeckt und unbehandelt bleiben – und dass die Täter zumindest für diese Gewalttaten nicht belangt werden können, wenn sie die betreffenden Untersuchungen verweigern.
Schuld und Sühne
Als seine Frau Simone schwanger wird, freut sich Tom Helmholtz darauf, Vater zu sein. Sein eigener Vater hat nie Zeit für ihn gehabt, ist schnell wütend geworden und hat ihn ohne erkennbaren Anlass geschlagen. Tom will es besser machen.
Simone arbeitet bei einer Krankenkasse, Tom hat sich vor einem Jahr mit einem lokalen Kurierdienst selbstständig gemacht. Sie entscheiden gemeinsam, dass Simone sobald wie möglich nach der Geburt wieder arbeiten gehen soll. Toms Kurieragentur wirft nur wenig Gewinn ab. Er wird sie so gut es geht von zu Hause aus managen und sich vor allem um das Baby kümmern.
Insgeheim hofft er, dass es ein Mädchen wird. Als schließlich feststeht, dass Simone einen Jungen zur Welt bringen wird, beginnt Tom sich zu fürchten. Aber er vertraut sich niemandem an, auch Simone nicht. Er versteht ja selbst nicht, weshalb er Angst hat und wovor.
Tom ist 25 Jahre alt, als sein Sohn geboren wird. Lukas ist von Anfang an ein schwieriges Kind. Er schreit viel und schläft wenig. Er ist kaum zu beruhigen und wirkt immer unzufrieden. Er lässt sich stundenlang in seiner Wiege schaukeln, schläft endlich ein – und wacht im selben Moment wieder auf, in dem Tom die Tür hinter sich zuzieht.
Nach vier Monaten als Vater und Hausmann ist Tom mit
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