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Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)

Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)

Titel: Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos , Saskia Guddat
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Aufsichtspflicht verletzen, die Folgen sind so oder so oftmals gravierend. Kleine Kinder werden in der Wohnung bei offenem Fenster oder auf der Straße sich selbst überlassen – das Ergebnis sind Tausende lebensgefährlicher oder tödlicher Sturzverletzungen und Verkehrsunfälle pro Jahr. Standregale werden nicht an der Wand befestigt – wenn sich ein Kleinkind daran hochzieht, fällt das Möbelstück um und begräbt das Kind unter sich. Steckdosen und stromführende Kabel bleiben ungesichert, obwohl Kinder im Krabbelalter zum Haushalt gehören. Dabei kann ein Stromschlag tödlich sein oder zumindest zum Verlust von Fingern führen.
    Ein Spalt neben dem Bett kann übrigens auch dann eine tödliche Falle für Babys sein, wenn dort kein glühend heißes Heizungsrohr verläuft. Jahr für Jahr ersticken in Deutschland etliche Säuglinge qualvoll, nachdem sie mit dem Kopf voran in die Ritze zwischen Bett und Wand gerutscht sind und in dieser Kopfüberposition gefangen waren.
    Auch hier gilt: Elterlichem Unwissen lässt sich durch Aufklärung abhelfen. Doch wenn Kinder durch Gleichgültigkeit oder Fahrlässigkeit der Sorgeberechtigten in Gefahr geraten, müssen die staatlichen Kinder- und Jugendschützer schnell und entschieden eingreifen. Was jedoch leider nur in seltenen Ausnahmefällen geschieht.

Angefressen
    Nicole Heitkamp ist eine attraktive Frau Ende zwanzig. Ihr Mann Liam arbeitet als Handelsvertreter und ist oft tagelang unterwegs. Nicole hat Friseurin gelernt, aber seit der Geburt ihres Sohnes bleibt sie zu Hause und kümmert sich um den kleinen René.
    Eines Tages erscheint sie in der Rettungsstelle einer Klinik im Berliner Süden. Der kleine Junge, den sie im Buggy vor sich herschiebt, brüllt wie am Spieß. René ist zwei Jahre alt und hat halbmondförmige Hautunterblutungen mit deutlichen Bissmarken am Penis.
    Dr. Peer Habermann, der diensthabende Arzt, fragt die Mutter, was denn mit dem Jungen passiert sei. Daraufhin wartet die Friseurin mit einer haarsträubenden Geschichte auf.
    »Wir haben im Wohnzimmer einen Tisch mit einer runden Glasplatte«, beginnt sie. »René hat die Platte angehoben, seinen Penis auf den Rahmen gelegt und die Platte dann fallengelassen.« Sie schlägt die Hände vors Gesicht. »Ist das nicht schrecklich?«, presst sie hervor. »Ich war nur für eine Minute im Bad – und als ich zurückgekommen bin …«
    Dr. Habermann betrachtet sie mit einer Mischung aus Skepsis und Mitgefühl. Mittlerweile hat er die Verletzung untersucht und erstversorgt. Die Kreisform der Tischplatte mag zu der halbmondförmigen Hautunterblutung einigermaßen passen. Aber wie soll ein Knirps von zwei Jahren so eine Glasplatte hochstemmen? Vor allem aber: Wie passt diese Geschichte mit den deutlich sichtbaren Bissspuren zusammen?
    Eigentlich gar nicht, sagt sich der Arzt. Er erklärt Nicole Heitkamp, dass René für ein paar Tage in der Klinik bleiben müsse. Die Mutter wirkt weniger besorgt als erfreut. Da könne sie doch endlich mal wieder in Ruhe shoppen gehen und sich mit ihren Freundinnen treffen, vertraut sie dem Klinikarzt an.
    Dr. Habermann ist nun doch irritiert. Noch am selben Tag ruft er bei uns im Institut an und bittet uns um Unterstützung. Tags darauf untersuchen wir René in der Kinderstation der Klinik. Bei den halbmondförmigen Hautunterblutungen handelt es sich unzweifelhaft um Bissverletzungen, die dem Jungen mit dem Gebiss eines erwachsenen Menschen beigebracht wurden.
    »Eines Menschen?«, wiederholt Dr. Habermann und sieht uns erschrocken an. »Sie nehmen doch nicht etwa an …« Er unterbricht sich mitten im Satz und schüttelt den Kopf.
    »Die Bissmarke stammt eindeutig von einem erwachsenen Menschen«, antworten wir. »Ob es sich bei dem Täter um einen Mann oder eine Frau handelt, lässt sich leider nicht mehr feststellen. Die Verletzung wurde gesäubert und versorgt, ein Abstrich zur Untersuchung auf DNA des Verursachers ist daher aussichtslos.«
    Dr. Habermann schüttelt erneut den Kopf. Er scheint zu bereuen, dass er uns hinzugezogen hat. »Liam Heitkamp war vorhin hier«, murmelt er vor sich hin. »Der Vater des Jungen, ein Hüne von Mann.«
    Er besteht darauf, Nicole Heitkamp allein mit unseren Ergebnissen zu konfrontieren.
    »Das Ganze muss ein Missverständnis sein«, sagt er. »Das ist doch eine vernünftige Frau. Bestimmt kann sie mir alles erklären.«
    In der Tat liefert Nicole Heitkamp aus dem Stegreif eine neue Erklärung ab. Die Glasplatte ist

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