Deutschland misshandelt seine Kinder (German Edition)
Vergangenheit, der neue Übeltäter ist ein Spielzeug namens Fangbecher. Dabei handelt es sich um einen trichterförmigen Becher mit Griff, an dem sich ein Druckknopf befindet. Drückt man darauf, wird ein kleiner Ball hinauskatapultiert, den man mit dem Trichter wieder auffangen muss.
Aber das Spielzeug lässt sich auch zweckentfremden, führt Mutter Heitkamp weiter aus. »René hat seinen Penis hineingesteckt und dann auf den Knopf gedrückt – und da hat er sich gequetscht!«
»Und die Bissspuren?«, fragen wir, nachdem uns Dr. Habermann in die neuesten Erklärungsversuche der Mutter eingeweiht hat. »Der Fangbecher hat doch keine Zähne, oder?«
Der Klinikarzt beißt seinerseits die Zähne aufeinander.
»Für uns sieht das nach sexueller Misshandlung aus«, haken wir nach. »Sie sollten das LKA 125 verständigen. Oder zumindest das Jugendamt.«
Doch Dr. Habermann hat nun genug von unseren Befunden und Bedenken. »Ich habe Frau Heitkamp natürlich auch gefragt, wie sich die Bissmarken erklären«, gibt er zurück. »Sie hat eingeräumt, dass die von ihr stammen. Aber Frau Heitkamp hat mir versichert, dass es ihr nur um die Sauberkeitserziehung ihres Jungen ging!«
Er ist sichtlich angefressen. Wenn auch nicht annähernd so sehr wie René.
Von anderen Ländern können wir lernen, wie man kleine Kinder besser vor Misshandlung und Vernachlässigung bewahren kann. In Schweden beispielsweise werden Kleinkinder fünf Tage pro Woche ganztags in staatlichen oder privaten Einrichtungen mit optimalem Personalschlüssel betreut.
In Deutschland kann ein Kind wie René über Monate von seinen Eltern misshandelt werden, ohne dass irgendjemand Alarm schlägt. In Schweden dagegen stehen die hochqualifizierten Erzieherinnen in ständigem engen Austausch mit den Eltern ihrer Schützlinge. Ihnen würde es gewiss nicht verborgen bleiben, wenn ein Kind aus ihrer Gruppe Hämatome oder gar Bisswunden aufweisen würde.
Einige erfolgreiche Ansätze zur Entlastung »überforderter« Eltern und vor allem zur angemesseneren Betreuung und Förderung der Kinder stellen wir in Kapitel 10 vor.
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8 Der Elterntest – Wunschbild und Wirklichkeit
Das Gesetz stellt strenge Anforderungen an die Eltern: Sie müssen nachweisen, dass sie ihrem Kind angemessene Wohnverhältnisse bieten können. In psychologischen Tests werden die Stabilität ihrer Partnerschaft, ihre Konfliktfähigkeit und Erziehungsziele, Impulskontrolle und emotionale Ausdrucksfähigkeit akribisch geprüft. Fallen sie bei einem Test durch, händigt die strenge Behörde ihnen das Kind keinesfalls aus.
Überdies müssen die Eltern ein Gesundheitszeugnis präsentieren. Leidet einer von ihnen an lebensverkürzenden Krankheiten, an psychischen Störungen oder an Suchterkrankungen? Dann brauchen sie bei diesen unnachsichtigen Wächtern des Kindeswohls gar nicht erst vorstellig zu werden.
Auch ein polizeiliches Führungszeugnis ist für beide Elternteile selbstverständlich Pflicht. Mit einer Vorstrafe wegen Gewaltdelikten oder gar wegen Sexualvergehen haben sie keine Chance, das Kind zu bekommen.
Wovon ist hier die Rede? Sicher nicht von den Anforderungen, die Kinderschutzrecht und Jugendämter an leibliche Eltern, Stiefmütter oder Patchwork-Väter stellen. Bei den Bilderbucheltern, die derart strenge Kriterien erfüllen müssen, handelt es sich vielmehr um adoptionswillige Paare.
Nach aktuellem Adoptionsrecht sollten sie möglichst verheiratet sein und über ein geregeltes Einkommen verfügen. Keiner der beiden sollte älter als vierzig Jahre sein. Nur einer von ihnen darf voll berufstätig sein, der oder die andere sollte sich überwiegend um die Betreuung des Kindes kümmern. Gleichwohl sollte die Familie über ein solides Einkommen verfügen, um dem Adoptivkind eine angemessene Entwicklung und soziokulturelle Teilhabe zu ermöglichen.
Zweifellos sind einige der geltenden Kriterien für adoptionswillige Paare krass überzogen. Nicht allzu viele leibliche Eltern würden die Tests und Durchleuchtungsprozeduren der deutschen Adoptionsbehörden bestehen. Teilweise gehen die Anforderungen auch schlicht an der heutigen Lebenswirklichkeit vorbei. So leuchtet es beispielsweise nicht ein, warum Paare, bei denen ein Partner fünfundvierzig oder fünfzig Jahre alt ist, nach aktuellem Adoptionsrecht kein Kleinkind oder Baby mehr adoptieren können. Trotzdem wünschen wir uns oftmals, dass Jugendämter und Familiengerichte einige der für Adoptiveltern gültige
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