Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen
noch einiges mehr. Darüber hinaus ist durch die Grundsicherung auf der Basis des soziokulturellen
Existenzminimums sichergestellt, dass der Lebensstandard selbst der Ärmsten nicht unter 50 Prozent des mittleren Einkommens fällt und damit unter ein Niveau, das dem bundesdeutschen Durchschnitt der späten 1960er Jahre entspricht. 51 Deutsche Transferempfänger leben wie der durchschnittliche Tscheche, aber deutlich besser als der durchschnittliche Pole und weitaus besser als der durchschnittliche Türke.
Zu den unvermeidlichen Nebenwirkungen solch einer Absicherung gehört zunächst der Sozialisationseffekt: Um eine Mindestabsicherung zu erhalten, die im Weltmaßstab Reichtum bedeutet, sind weder schulische Grundkenntnisse noch ein gewisser Fleiß, noch Pflichtbewusstsein im sozialen und familiären Zusammenhang, ja eigentlich überhaupt keine Eigenschaften und Fähigkeiten erforderlich, die über das reine Existieren hinausgehen. Auch der Belohnungsmechanismus für solche Eigenschaften existiert in der Transferwelt nicht, damit bilden sich diese zurück oder werden gar nicht erst ausgebildet, ähnlich wie die Muskeln bei jenen atrophieren, die sich zu wenig bewegen.
Für die moralisch und geistig Schwächeren in der Gesellschaft ist dies eine große Versuchung. Bleiben sie länger im Zustand des anforderungsfreien Lebens, auch wenn sie ohne ihren Willen oder durch Unglück dort hineingeraten sind, verlieren sie neben dem Willen auch die Fähigkeiten, die erforderlich sind, sich aus diesem Zustand wieder zu befreien:
»Viele Bedarfsgemeinschaften bleiben dauerhaft auf die Grundsicherung angewiesen... Der Langzeitbezug prägt den Bestand und damit auch die Ausgaben für die Grundsicherung... Das System wirkt weit über Langzeitarbeitslose hinaus und bildet eine Grundsicherung nicht nur für Arbeitssuchende, sondern für einen großen Teil der Bevölkerung im Erwerbsalter und ihre Kinder. Zur Zeit sieht es so aus, dass die Grundsicherung überwiegend von Bedarfsgemeinschaften geprägt wird, die über längere Zeiträume durchgehend oder wiederholt bedürftig sind.« 52
Diese Gruppe hat sich in ihr Schicksal gefügt, es ist aber auch eine Gruppe, deren Stolz gebrochen ist. Niemand ist stolz, der jenseits der Jugend und vor dem Alter, also in seinen besten Jahren, von staatlicher Unterstützung lebt. Wo aber der Stolz fehlt, gedeiht die Antriebskraft schlecht, die man braucht, das bequeme Jetzt gegen ungewisse Härten einzutauschen. Solch ein Mensch konzentriert sich lieber auf kurzfristige Befriedigung. Die bieten ihm Alkohol, Zigaretten, Medienkonsum und Fastfood.
Je größer die Bedarfsgemeinschaft, desto höher ist der Betrag der monatlichen Grundsicherung. Ein Ehepaar mit zwei Kindern erhält 1710 Euro im Monat. Ein sozialversicherungspflichtiger Alleinverdiener müsste schon 2500 Euro brutto verdienen, um diese Summe zur Verfügung zu haben. Bei vier Kindern müsste er brutto 3500 Euro erreichen, um auf die Grundsicherung von 2300 Euro zu kommen. Mit jedem Kind erhöht sich die Grundsicherung um 322 Euro. Über die Ausgaben muss keine Rechenschaft abgelegt werden. Nahrungsmittel gibt es mittlerweile vielfach umsonst bei den verschiedenen Tafeln, und gebrauchte Kinderkleidung wird kostenfrei oder zumindest sehr günstig angeboten. Eine Bedarfsgemeinschaft aus zwei Erwachsenen und vier Kindern kann auf diese Weise die Grundsicherung erheblich aufstocken. Es liegt eine gewisse ökonomische Logik darin, dass der Anteil der Kinder aus Haushalten von Transferempfängern etwa doppelt so hoch ist wie der Anteil der Transferempfänger selbst. In Berlin stammen mittlerweile 35 Prozent der Schulkinder aus Haushalten von Transferempfängern, in Bremen sind es 30 Prozent, in Hamburg 25 Prozent und im Bundesdurchschnitt 16 Prozent.
Nicht Kinder produzieren Armut, sondern Transferempfänger produzieren Kinder. Die Statistik scheint das zu belegen, denn in Deutschland bekommen diejenigen, die von sozialer Unterstützung leben, deutlich mehr Kinder als der vergleichbare Rest der Bevölkerung. Damit wächst in unserem Bildungssystem der Anteil der Kinder aus bildungsfernen Unterschichtfamilien kontinuierlich. Nach Abschluss einer meist wenig erfolgreichen Schullaufbahn schlagen die wenig qualifizierten Kinder großenteils den Weg ihrer Eltern ein
und bekommen wieder überdurchschnittlich viele Kinder. Systematische Unterschiede in der Fruchtbarkeit verschiedener Gruppen bedeuten in wenigen Generationen eine radikale
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