Deutschlandflug
der zufälligen Entdeckung und Gründung von Bermuda ist wohlbekannt. Admiral Sir George Somers und 150 Siedler waren mit einer aus neun Schiffen bestehenden Flotte unterwegs zur jungen Kolonie Virginia, USA, als das Flaggschiff des Admirals, die ›Sea Venture‹, am 28. Juli 1609 Schiffbruch erlitt. Alle Passagiere konnten sich retten. Auf der Insel fanden sie Nahrung im Überfluß – Wildschweine, Vögel, Beeren, Fische, Schildkröten und Schildkröteneier.
»Unser Flaggschiff«, sagte Mahlberg, »heißt ›Steppenadler‹ und scheint auch Schiffbruch zu erleiden – wie sinnig! Ob sich alle Passagiere, ob sich überhaupt einige retten können? Vielleicht auf eine dieser Elbinseln, die wir gerade überfliegen – wie heißen sie noch rasch? Schweinssand? Hanoversand? Egal! Wildschweine gibt es dort nicht, auch keine Schildkröteneier. Vielleicht eine Handvoll Sumpfgras und ein paar Möweneier?«
Aber die bemerkenswerte Geschichte des Baus und der Reise der ›Deliverance‹ und der kleineren ›Patience‹ durch den schiffbrüchigen Admiral und die übrigen Überlebenden der ›Sea Venture‹ ist wenig bekannt. In weniger als einem Jahr hatten sie zwei Schiffe gebaut und segelten nach Jamestown in Virginia, um Nahrung und Vorräte den 60 Überlebenden von 500 Siedlern zu bringen. Denn nur diese wenigen überstanden den schrecklichen Winter in der Neuen Welt.
»Eigentlich auch keine aufmunternde Lektüre!« sagte Mahlberg. »Wie ich dem Hochglanz-Prospekt entnehme, wurde die ›Deliverance‹ aus den Trümmern der ›Sea Venture‹ gebaut. Sollten wir jemals auf einer der Elbinseln oder auf dem Knechtsand notlanden, wird sich aus unseren Trümmern kein neues Flugzeug basteln lassen. Diese Art von Fortschritt ist endgültig passe!«
361 Jahre nach dem Bau der ›Deliverance‹ gedachte man dieser Tatsache, indem man im Frühling 1971 eine maßstabgerechte Nachbildung der ›Deliverance‹ auf den Namen ›Bermuda‹ taufte. Diese Nachbildung hat einen Kapitän, eine Mannschaft und Passagiere – alle in Originalkostümen und aus Wachs – und liegt in St. George. Das Zwischendeck, auf dem die meisten der Passagiere lebten, ist so niedrig, daß man nicht aufrecht stehen kann. Aus Palmblättern wurden Matratzen und Matten gemacht. Das Bermuda-Barometer mit Haifischtran hat einen Ehrenplatz.
»Auch nicht aufmunternd!« meinte Mahlberg. »Nach dem Muster des Zwischendecks scheinen die modernen Flugzeugcockpits entworfen worden zu sein! Aber hier, diese Illustration der Kapitänskajüte, die ist doch Klasse!« Das Bild zeigte hinter einem roh zugeschnittenen Holztisch einen Kapitän im Gewand des 17. Jahrhunderts, mit Federkiel, Halskrause und Sextanten. Drei Frauen mit weißen Häubchen, als Besatzungsmitglieder vermerkt, kehrten und ordneten seine Holzkemenate.
»Stewardessen hat es damals schon gegeben, zumindest für den Kommandanten!«
Nicht weit von Jamestown befindet sich das schöne ›Bermuda Holiday Inn‹, mit Blick über den Ozean. Es steht inmitten von Kanonen und Befestigungsanlagen, die aus dem 17. Jahrhundert stammen. Von der Bar des Inn, der ›Sea Venture Bar‹ aus, kann man die Stelle sehen, an der das Schiff sank. Im Königsplatz-Speisesaal werden Spezialitäten aus vielen Ländern, darunter auch herrlicher Bermuda-Fisch, aufgetischt.
»Endlich eine erfreuliche Nachricht von unserem Traumziel!« kommentierte Mahlberg. »Die FDZ hat offensichtlich nichts Erfreuliches mehr auf Lager! Dort könnten wir jetzt sitzen: in der ›Sea Venture Bar‹, uns einen genehmigen, mit der schönsten Stewardeß unserer zahlreichen Crew schäkern und flirten und fünfe gerade sein lassen! O Himmel verflucht!«
»Läuft hinten der Film immer noch?« Bloch beugte sich zu Brinkmann hinüber.
»Läuft immer noch.«
Sie ließen gemeinsam ihre Blicke über die Treibstoffvorratsmesser gleiten.
»Wir könnten auf 41.000 Fuß steigen«, schlug Bloch vor. »Dann sparen wir noch mehr! Wer weiß, wie es zum Schluß auf jeden Tropfen Sprit ankommt!«
Mahlberg hatte schon Verbindung mit Hannover Control aufgenommen und um Steigerlaubnis gebeten.
»Roger, ›AVI 2000‹! Freigegeben zum Steigflug auf Flugfläche 410!«
Bloch drückte auf der Mittelkonsole unter den Windschutzscheiben eine Taste mit der Beschriftung N1. Automatisch schoben sich die drei Schubhebel auf Steigleistung vor. Dann drückte er eine weitere Taste mit der Aufschrift MACH. Automatisch richtete sich der Bug zum Steigflug auf; automatisch
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