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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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bedenken; an Mahlbergs Reaktion schien er nicht interessiert; er vertiefte sich wieder in seine internen technischen Informationen, die er als fliegende Blätter auf seinem Schoß liegen hatte.
    Außergewöhnliche Nistplätze für Stare. Am 5. März wurden der Vogelwarte Sempach vom Flugsicherheitsdienst der ›Avitour‹ Teile eines Vogelnests zur Identifizierung zugeschickt. Es war beim Betanken einer alten Coronado entdeckt worden, als Kerosin aus einem Flügeltank ausfloß. Die Ursache wurde vom zuständigen Mechaniker in einem in offener Stellung blockierten Kontrollventil vermutet. Beim Auswechseln dieses Ventils wurde das Vogelnest entdeckt. Es wurde von der Vogelwarte als Bestandteil eines Starennestes (sturnus vulgaris) identifiziert … Eine Nachkontrolle ergab, daß alle Coronados (10) Nester oder Teile davon in den Entlüftungskammern enthielten. Erstaunlich ist, daß die Stare trotz der kurzen Standzeiten von höchstens einem Tag dazu kamen, Nester zu bauen. Mahlberg hörte unterdessen auf der Kurzwelle Wetter ab: Rio de Janeiro, wolkenloser Himmel, Windstille, Hochdrucklage. Jetzt an der Copacabana bräunen … statt dessen hing man über Deutschland.
    Niko jagte aus dem 15. Stock mit dem Fahrstuhl abwärts.
    Er trommelte nervös gegen den Aluminium-Beschlag der Fahrstuhlverkleidung. Ein kurzer Stopp im neunten, ein langer im sechsten, ein ganz langer im fünften: Eine Mutter mit drei Kindern, von denen zwei noch in der Wohnung waren, als sie bereits die Tür aufschob, hielten das ganze Unternehmen skrupellos auf. Wußten all diese Supermarktbummler, Kinderspielplatzplauderinnen, Kelleraufräumer nicht, daß sie den Flug und das Leben von über zweihundert Passagieren gefährdeten?
    Zweiter Stock – nochmals halt! Niko spürte, wie schon jetzt sein südländisches Temperament mit ihm durchzugehen drohte. Und er hatte noch eine Fünfundzwanzig-Kilometer-Fahrt vor sich! Auf seiner Heimatinsel Thassos liefen alte Frauen von über siebzig täglich bis zu zehn Kilometer zu Fuß! Hier, im Wirtschaftswunder-Deutschland, konnte ein junger, gesunder Mann nicht vierzehn ganze Treppenstufen zu Fuß gehen!
    »Wollense nun raus oder nich?« schreckte ihn die Stimme einer dicklichen Frankfurterin auf.
    Mit dem Tageslicht im Erdgeschoß brach auch das ganze Elend wieder über ihn herein. Hatte er wirklich einen Fehler begangen, der Menschenleben gefährdete? Hatte Hanna mit der Sache zu tun? Konnte er eine Katastrophe verhindern, für die er selber die Voraussetzung geschaffen hatte? Hatte er sie geschaffen?
    Er stürmte auf seinen Wagen zu. Sein ›Passat‹, zerschrammt, aus zweiter Hand gekauft. Über vier Jahre alt. Natürlich auf der anderen Straßenseite. Dazwischen der stinkende, ächzende Ausfallverkehr Frankfurts! Er wand sich zwischen zwei bissigen Repräsentationswagen hindurch, mußte sich mit jähem Satz in Sicherheit bringen; bei Grün fuhren sie einfach an. In dieser kriechenden, zähflüssigen, giftgasproduzierenden Autoschlange in Windeseile zum Flughafen gelangen zu wollen – welche Herkulesarbeit hatte er sich da vorgenommen? Er würde als Nervenwrack in der nächsten Heil- und Pflegeanstalt landen – niemals den Flughafen erreichen!
    Er rettete sich mit einem Sprung an seinen Wagen, quetschte sich gegen den stumpfen Lack, schloß auf … Als er saß, fiel ihm ein: Er hätte die Polizei anrufen sollen, sie bitten, ihn mit Blaulicht zum Flughafen zu fahren. Noch einmal den mühsamen Weg zurück in den fünfzehnten Stock? Hier am Beethovenplatz gab es den! Sobald er außerhalb der Innenstadt war, eine leere Zelle sah, würde er noch einmal versuchen, Verbindung zu ›Otto Lilienthal‹ zu bekommen!
    Er gab Gas, fädelte sich rigoros ein in die fast lückenlose Schlange, begann seine Odyssee um den Beethovenplatz herum. Gleich nach dem Anfahren schaltete er Hessen 3 ein; in vier Minuten mußten die Nachrichten durchkommen. Schumannstraße, Friedrich-Ebert-Anlage; er erwischte noch gerade den nächsten Schwung, ehe ein langer Stopp kam. Aber dann, weit vor dem Platz der Republik, war es aus. Hier war einer der neuralgischen Punkte; der Puls der Stadt wurde schon vom Unterleib her gestört: Darmverschluß – alle Ausfallstraßen verstopft.
    Und keine Telefonzelle in Sicht!
    Jetzt die Nachrichten.
    Noch immer, so betonte der Nachrichtensprecher mit unterkühlter Stimme, kreise die ›Steppenadler‹ mit einer Bombe an Bord über der Bundesrepublik. Noch immer tappe die Polizei im dunkeln über

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