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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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Libellen – der braungelben Vierfleckigen, der bläulich schillernden Plattbauchlibelle, der metallisch glänzenden Metall-, der goldgrünen Goldjungfer. Skorpionwasserwanzen, Tauchkäfer, Wasserasseln und rostrote Teichschwimmer durchzuckten die Tümpel. Im Uferschilf raschelten Nutrias, schlängelten sich Nattern, blubberten Wechselkröten und Wassermolche.
    Jeder, der hier eindrang, wurde durch die Wildnisatmosphäre in ihren Bann gezogen. Es gab in den Sumpfniederungen Löcher, die mit glasklarem Wasser gefüllt waren, auf deren Grund zahllose Quelltrichter sprudelten. Wer das Blauloch im Taubergießengebiet besuchte, wurde an die Kyanequelle bei Syrakus erinnert. Freilich wuchs hier nicht der dreikantige Papyrus, sondern Springkraut.
    Wer sich nicht tief in die Saurierurlandschaft wagte, konnte durch Orchideenwiesen und Maisfelder schlendern, vorbei an Weißdornbüschen, Sumpfdotter und Berberitzen. Man konnte sich an einer Uferböschung niederlassen, die Beine baumeln lassen und auf den Tümpeln die Schwimmspuren der fleckigen Steinbeißer oder Bartgründel verfolgen. Oft wühlte eine Bisamratte oder Wasserschlange das Wasser auf. Irgendwo stand ein Graureiher und fischte. Der Gesang von Pirolen, Grasmücken, Laubsängern und Nachtigallen begleitete die wenigen Besucher. In den Sommermonaten waren es die Schnaken, die ›Rheinmoskitos‹, die den landläufigen Touristen abhielten. Dafür kamen echte Naturliebhaber aus Holland, England, Skandinavien angereist. Manche von ihnen übernachteten und kampierten wochenlang; nachts hörten sie das Schluchzen der Nachtigallen, den Schrei der Luchse, den Jagdruf der Käuzchen.
    … Wenige Tage vorher, als es um die letzten Aktionen gegen den Flughafen und für den hessischen Kühkopf ging, hatte Jason noch einmal in alten Papieren geblättert. Schon 1972 hatte er auf die zunehmende Gefahr durch kritische Begegnungen mit Vögeln hingewiesen alles im Zusammenhang mit dem geplanten Otto-Lilienthal-Flughafen.
    Die unmittelbaren Birdstrike-Schäden der ›Lufthansa‹ aus dem Jahr 1971 betrugen zum Beispiel 2,4 Millionen DM. Im letzten Jahr waren dem Luftfahrtbundesamt mehr als 260 Birdstrike-Schäden gemeldet worden.
    In Anbetracht dieser Situation wirkten die Bemühungen, neben dem Vogelschutzgebiet Kühkopf einen internationalen Großflughafen aus dem Boden zu stampfen, geradezu atavistisch.
    Jason legte einen neuen Scheit auf. Da schellte es.
    Fluchend schlurfte er zur Tür, erspähte durch die Gardine des Flurfensters einen grünen Polizei-BMW, löste die Sicherungskette, drückte die Klinke, stellte fest, daß die Tür abgeschlossen war, der Schlüssel in seiner Hausjacke steckte, langte, das Auge an den Spion gepreßt, mit der Rechten zurück an die Garderobe und in die Jackentasche, schloß, noch immer auf das optimistische Uniformgrün des Polizisten im Ausschnitt starrend, auf, atmete tief den herbfrischen Abendwind ein und hob fragend die rechte Braue.
    »Sind Sie Dr. Matthias Jason?«
    »Ja?«
    Die beiden Beamten waren jung und wirkten salopp und leger; der eine trug einen ansehnlichen Schnurrbart. Seine Haare quollen kraus unter der abgetragenen Dienstmütze hervor.
    »Wir müssen Sie bitten, mit aufs Polizeirevier zu kommen.«
    »Warum?«
    Die beiden Beamten sahen sich zweifelnd an.
    »Darüber können wir Ihnen nichts sagen!«
    »Ich habe pünktlich meine Steuern bezahlt, bin kein Schwarzhörer und habe keine Geschwindigkeitsbegrenzungen überschritten!« sagte Jason.
    Die beiden lachten.
    »Darum geht es wohl nicht. Wir müssen Sie bitten, mit zum Flughafen zu kommen.«
    »Nicht aufs nächste Polizeirevier?«
    »Zum Flughafen, bitte.«
    »Wenn ich mich weigere?«
    »Dann würden Sie zwangsweise vorgeführt werden. Außerdem könnten Sie dadurch Menschenleben gefährden.«
    »Menschenleben – ich gefährde keine Menschenleben!«
    Die beiden jungen Männer in Uniform zuckten die Schultern.
    »Kommen Sie?«
    Er löschte das Feuer im Kamin, umständlich und sorgfältig, trank seinen Whisky aus, warf einen wehmütigen Blick auf Haeckers Tag- und Nachtbücher.
    Er kam. Ein Riesenschwarm Krähen durchzog den sanft flammenden Abendhimmel.
    Zum erstenmal an diesem Tag spiegelte das Gesicht des Polizeipräsidenten nach einem Telefongespräch pure, entspannte Zufriedenheit wider: Jason war auf dem Weg zum Flughafen.
    Er sah auf seine Armbanduhr: 17.58 Uhr.
    Er hatte seine große Aktion für 19.30 Uhr angesetzt: die Stunde der Dämmerung. Er wußte, daß die

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