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Deutschlandflug

Titel: Deutschlandflug Kostenlos Bücher Online Lesen
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wurden.
    Dem Jumbo folgten in kurzen Abständen zwei weitere Flugzeuge. Er stand hier genau in der Startschneise. Die Piloten konnten nicht dafür. Sie befolgten so exakt wie möglich die vorgeschriebenen Ab- und Anflugverfahren. Die Triebwerkhersteller konnten nicht dafür. Ihre neuen Triebwerke waren bis zur Hälfte leiser und abgasärmer als die der vorigen Generation. Schuld war, Jason seufzte deprimiert, die bodenlose Dummheit der spezialisierten Behörden, die nicht den geringsten Begriff von großräumigen organischen Zusammenhängen hatten und rücksichtslos zugunsten eines rigorosen Industrialisierungsfanatismus die sterbende Erde ausbeuteten.
    Jason hatte die Stunden beim Polizeipräsidenten, die Beiwohnung bürgerkriegsähnlicher Kämpfe, die Nachricht über den Terrorflug von zweihundertundzwanzig Passagieren einen tiefen Schock versetzt. Wenn dieser Schock, der wohl die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik, wenn auch nur bis zur nächsten Sensationsmeldung, erfaßt hatte, wenigstens als Startsignal für eine neue, menschenwürdigere Lebensart gesehen würde!
    Jason vermochte auch diesen letzten Hoffnungsschimmer nicht zu sehen. Er hatte kapituliert; er würde seinen Posten niederlegen und sich ganz, wie ein geistiger Eremit, auf seine Malerei zurückziehen. Durch seine Kunst distanzierte er sich von der Welt; es war seine einzige Möglichkeit, weiterhin zu bestehen.
    Die alten Kopfweiden standen wie eine Heerschar müder, verwundeter Krieger im Mondlicht. Man hatte im Winter ihr Oberholz kahlgeschlagen; jetzt quollen die jungen Triebe aus Rissen und Narben. Halb vermorschte Stämme, von Sturm und Unwetter in den Schlamm gedrückt, kämpften sich mit jungen, neuen Zweigen ans Licht zurück.
    Natürlich, es war billig, in diesen zerstörten, nicht aufgebenden Baumstümpfen ein Symbol zu sehen! An diesem Abend sah er keinen Ausweg. Der Moloch Technik fraß weiterhin Kilometer um Kilometer.
    Er verfolgte einen schmalen Pfad, der ihn in urwaldähnlichen Unterwuchs und durch ein dichtes Netz von Waldreben und Efeu leitete.
    Plötzlich spürte er das Verlangen, sich von dieser wuchernden Schwärze einfangen zu lassen und in einem todesähnlichen Rausch unterzugehen.
    Quandt, nach dem glücklichen Ausgang auflebend wie ein Neger nach strengem Winter, wollte gerade in die FDZ hinaufeilen, als das Telefon schrillte.
    Während er kurz zusammenzuckte wie bei dem ersten Anruf am frühen Morgen, griff er nach dem Hörer. (Richtig, wollte er nicht die Farben in seinem Direktionszimmer besser aufeinander abstimmen lassen?) Er lachte auf, als er abnahm. Was konnte ihm passieren? Sein ›Steppenadler‹ war heil gelandet.
    »Ja? Quandt.«
    Er zündete sich eine neue Zigarre an (Es war die dritte, seitdem sein Sorgenkind wieder an der Rampe stand.)
    »Ich hatte Sie heute morgen angerufen. Oder sagen wir besser: aufgeschreckt?«
    »Wegen der Bombe?«
    »Wegen der Bombe!«
    »Wer sind Sie?«
    Quandt zog ganz ruhig an seiner Zigarre. Ihm konnte nichts mehr passieren.
    »Die Bombe, vor der ich Sie gewarnt habe – die hat gar nicht existiert. Ich wollte Sie nur ärgern. Das heißt: gar nicht Sie, sondern den Flughafendirektor, wie heißt er, Brändel. Man hat mich falsch verbunden, heute morgen!«
    »Und wie heißen Sie?«
    »Kaller Jan. Ich bin Reporter; ich sage Ihnen das ganz offen.«
    »Ja, Herr Kaller … Reden Sie mal weiter!«
    »Wir hatten eine Protestaktion vor gegen die Eröffnung von Otto Lilienthal. Wir wollten uns auf die Startbahn hocken und den ersten Start verhindern. Aber ich war so wütend – und ich habe das schon kommen sehen … daß die ganze Aktion im Trubel steckenbleiben würde, daß ich eine Privataktion gestartet habe. Aber die hatte nichts mit der echten Bombe zu tun!«
    »Das glaube ich Ihnen gern!«
    »Sie können mich jetzt dem Polizeipräsidenten melden – Querholz! Der hat den allerersten Anrufer, haha, noch immer nicht identifiziert. Trotz diesem Kommissar Coreuter!«
    »Trotz was?«
    »Da steht in Wiesbaden ein Meilenstein der Kriminalistikgeschichte: das Polizeiinformationssystem ›Inpol‹. Es hat über 130.000 wegen Straftaten gesuchte Menschen gespeichert, will sagen: ihre Daten. Das System kann, interessiert Sie das, hundertundsechzigtausend Fragen pro Tag beantworten, siebentausendvierhundert pro Stunde. Sie können eine Reportage von mir darüber in einer Juni-Ausgabe des RUHRABEND lesen. Der selige Bundesinnenminister Genscher hat es schon 1974, wie soll man sagen,

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