Deutschlandflug
Bloch verzweifelt, »jetzt müßten wir es sehen können!«
Lieber Gott, betete Bloch verzweifelt, jetzt müßten wir es sehen können!
Lieber Gott, betete Mahlberg still, gib, daß dieser Notsender eine Bombe war und daß diese Bombe jetzt hochgeht und daß wir glücklich landen und daß …
Und dann sahen sie es.
Schräg links unter ihnen flammte ein Stern auf, entfaltete sich giftgrün wie eine Feuerwerksrakete und erlosch schlagartig.
»Das war sie, das war sie!« schrie Mahlberg.
»Jetzt nichts wie runter!« sagte Bloch und drückte die ›Steppenadler‹ auf den Kopf.
»Klappen zweiundzwanzig Grad!« ordnete Bloch an; Mahlberg setzte sie.
Sie lagen auf dem ILS, dem Instrumentenlandesystem des Otto-Lilienthal-Flughafens. Es hatte die Frequenz 110.5 und die Kennung OLI. Die ›Steppenadler‹ lag exakt auf Gleitpfad und Kurs; und die Anfluglichter waren schon in sieben Kilometern in Sicht.
»Mein Gott, wir landen!« schrie Mahlberg aufgeregt. »Wir landen heil und wohlbehalten!« Strahlend setzte er 35 Grad Klappen, nachdem das Fahrwerk aus den Schächten gerauscht war.
Bloch hatte die Schubhebel- und Anflugautomatik ausgeschaltet. Diese Landung, dieser Triumph über Terror und Todesdrohung wollte er selber voll auskosten.
Sanft radierte die ›Steppenadler‹ über den frischen Beton der Landebahn 22.
Im Augenblick des Aufsetzens zuckte die Crew zusammen. Wenn jetzt doch noch eine Bombe versteckt war, die im Federbein des Fahrwerks detonierte, sobald es zusammengedrückt wurde? Nichts geschah …
Nichts geschah, und sie rollten aus und bogen auf die Rollbahn Delta zum Terminal, Gate 21.
Ulla sah ihren Chef strahlend an.
»Sie sind hier absolut überflüssig! Ab sofort! Ich schlage Ihnen vor, Sie verschwinden jetzt mal in Richtung Empfangshalle!«
»Freilich kannst du dir ruhig Zeit lassen!« ergänzte Allermann. »Wie ich die abendländische Bürokratie kenne, wird man erst mal stundenlang darüber verhandeln, ob die Maschine nun eigentlich aus dem Ausland kommt oder nicht! Zwar hat sie keine Zwischenlandung gemacht, aber immerhin ist es für den Zoll eine Bermudamaschine!«
Thomas sah sein Team gerührt an.
»Ich muß allmählich mal danke schön sagen für die großartige Zusammenarbeit! Ich glaube, wenn ich diese Unterstützung nicht gehabt hätte – ich hätte kapituliert!«
»Jetzt gehen Sie!« sagte Ulla. »Wie mein alter Russe sagen würde: Einen Menschen kennt man erst, wenn man einen Zentner Salz mit ihm gegessen hat!«
Bevor Bloch die letzte Checkliste an der Rampe lesen ließ, wandte er sich noch einmal an seine Passagiere: »Sehr verehrte Fluggäste …«
Aber Mahlberg unterbrach: »Sie haben die falsche Taste gedrückt! Das geht nur nach unten raus – an den Mechaniker!«
Bloch korrigierte die Schaltung.
»Sehr verehrte Fluggäste! Wir haben gemeinsam, sozusagen im gleichen Boot, mehr als zwölf harte Stunden miteinander verbracht. Stunden, in denen bis zur letzten Minute nicht klar war, ob nicht das Chaos, die Zerstörung, die die Terroristen uns zugedacht hatten, siegen würden. Gemeinsam haben wir unseren Schreckensflug zu einem guten Ende gebracht. Sie alle haben dabei wundervoll mitgeholfen. Ich danke Ihnen!«
Amerikanisierter Stil, dachte Mahlberg vage und wollte die Checkliste ›Vor Verlassen des Cockpits‹ lesen, jene, von der er kaum gehofft hatte, daß er sie noch jemals brauchen werde. Aber Bloch hatte auch ihm noch etwas zu sagen.
»Wissen Sie eigentlich, welchen beiden idiotischen Schicksalszufällen wir unsere Rettung zu verdanken haben? Erst einmal ein herzliches Dankeschön wegen der Teamarbeit! Aber dann: Die Bombe in meiner Tasche sollte mich … vielleicht nicht umbringen, aber verletzen, zumindest erschrecken. Sie war aber gar nicht für dieses Flugzeug gedacht. Über die Zusammenhänge werde ich, das verstehen Sie, schweigen wie ein Trappist im Grab. Aber wir müssen uns klarmachen: Wäre dieses Bömbchen nicht im Cockpit detoniert, wäre der Bodenbelag nicht weggerissen worden – wir hätten die wirklich gefährliche Bombe nie gefunden! Und zweitens: Mahlberg, hätten wir uns, Schwamm drüber, nicht so gestritten, daß ich erregt aufgesprungen wäre, hätte mich also das Bömbchen erwischt – wer weiß, ob ich jetzt noch leben würde! Deshalb muß ich Ihnen also von Herzen danken, daß Sie mich so aufgeregt haben!«
Lachend schüttelte er dem Kopiloten die Hand.
»Man kann es auch anders ausdrücken«, konnte sich Mahlberg nicht
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