Dexter
aus, um der immer noch schmollenden Samantha unter Blitzlichtgewitter und dem ehrfürchtigen »Aah« der Pressemeute aus dem Auto zu helfen. Der Captain schlang ihr einen schützenden Arm um die Schultern und bedeutete der Menge mit einer herrischen Geste, Platz zu machen und sie durchzulassen – ein wahrhaft großer Moment in der Geschichte der Ironie, da Matthews sie doch hier versammelt hatte, um genau diesem Augenblick beizuwohnen, während er nun so tat, als wollte er, dass sie verschwanden. Ich bewunderte den Auftritt dermaßen, dass ich eine volle Minute nur gelegentlich an meine düstere Zukunft dachte.
Deborah schien nicht ganz so beeindruckt wie ich. Sie trabte Matthews mit mürrischer Miene hinterher, während sie jeden Reporter wegschubste, der dumm genug war, ihr in die Quere zu kommen, und ganz allgemein den Eindruck vermittelte, man hätte sie soeben zum Waterboarding verurteilt. Ich folgte dem glücklichen Grüppchen durch die Menge, bis Matthews die Haustür erreichte, wo Mr. und Mrs. Aldovar darauf warteten, ihre missratene Tochter unter Umarmungen, Küssen und Tränen in Empfang zu nehmen. Es war eine außerordentlich rührende Szene, und Captain Matthews spielte sie so perfekt, als hätte er sich monatelang darauf vorbereitet. Er stand neben der Familie und strahlte, während die Eltern schnieften und Samantha schmollte, bis er schließlich spürte, dass die Aufmerksamkeit der Reporter nachließ, und mit erhobener Hand nach vorn trat.
Kurz bevor er sich an die Menge wandte, beugte er sich zu Deborah und flüsterte: »Keine Sorge, Morgan; ich sorge dafür, dass Sie dieses Mal nicht reden müssen.«
»Ja, Sir«, quetschte sie durch zusammengebissene Zähne.
»Versuchen Sie einfach, stolz und bescheiden zu wirken«, forderte er sie auf und tätschelte ihr lächelnd die Schulter, als die Kameras zu ihnen schwenkten. Deborah zeigte ihm die Zähne, und er wandte sich wieder an die Menge.
»Ich habe Ihnen versprochen, dass wir sie finden«, verkündete Matthews mit männlich markanter Stimme dem wartenden Pöbel. »Und wir haben sie gefunden!« Er drehte sich zu dem Familientrio um, damit die Reporter ein Foto von ihm schießen konnten, wie er sie schützend anstrahlte. Dann drehte er sich wieder um und hielt eine kurze Lobeshymne auf sich selbst. Selbstverständlich fand weder Dexters schreckliches Opfer noch Deborahs unermüdlicher Eifer Erwähnung, aber vielleicht war das auch zu viel verlangt. So ging es vorhersehbar genug noch eine Weile weiter, doch schließlich zogen sich die Aldovars ins Haus zurück, die Reporter wurden des Kinns des Captains müde, und Deborah packte meinen Arm, zerrte mich durch die Menge zum Auto und brachte mich nach Hause.
[home]
32
D eborah fuhr mich schweigend über den Dixie Highway in Richtung Süden nach Hause. Nach einer Weile verblasste der Zorn in ihrer Miene, und ihre Hände am Lenkrad entspannten sich. »Ach, egal«, sagte sie schließlich, »am wichtigsten ist doch, dass Samantha wieder zu Hause ist.«
Ich bewunderte ihren Sinn für Prioritäten, hatte aber dennoch das Gefühl, sie auf ihre Fehleinschätzung hinweisen zu müssen, da sie keinen Gedanken an mich verschwendete.
»Samantha wollte nicht nach Hause«, bemerkte ich. »Sie will gegessen werden.«
Deborah schüttelte den Kopf. »Ach, Unsinn. Sie ist einfach ein bisschen durch den Wind und hat begonnen, sich mit den Arschlöchern zu identifizieren, die sie gefangen gehalten haben. Gegessen werden?« Sie schnitt wieder ihr Saure-Zitronen-Gesicht und schüttelte den Kopf. »Komm schon, Dexter.«
Ich hätte entgegnen können, dass ich davon überzeugt war und sie zu demselben Schluss gelangen würde, wenn sie nur fünf Minuten mit Samantha redete. Aber hatte Deborah sich einmal eine Meinung gebildet, konnte nur ein schriftlicher Befehl des Polizeipräsidenten etwas daran ändern, und ich ging nicht davon aus, dass dieser in Arbeit war.
»Außerdem«, fuhr sie fort, »ist sie jetzt wieder bei ihrer Familie, und die können ihr einen Psychiater besorgen oder so was. Für uns geht es darum, gründlich aufzuräumen. Wir müssen Bobby Acosta und die restlichen Mitglieder der Bande finden.«
»Des Zirkels«, präzisierte ich, womöglich ein wenig pedantisch. »Samantha sagt, sie nennen es Zirkel.«
Deborah runzelte die Stirn. »Ich dachte, das wär bei Hexen so.«
»Bei Kannibalen anscheinend auch.«
»Ich glaube nicht, dass man eine Gruppe von Männern Zirkel nennen kann«, widersprach sie
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