Dexter
einfallen zu lassen.
Es war ohnehin nicht von Bedeutung, da Weems mir nicht länger zuhörte. Er stand reglos, die Nase im Wind, die Augen halb geschlossen, als hörte er in der Ferne seinen Namen rufen.
»Ist etwas?«, fragte ich.
Einen Moment reagierte er nicht. Dann schüttelte er den Kopf. »Rauch. Irgendjemand hat ein Feuer angezündet.« Er wies mit dem Kinn zum Herzen der Everglades. »Zu dieser Jahreszeit ist das keine besonders gute Idee.«
Ich roch gar nichts, einmal abgesehen vom üblichen lehmigen Everglades-Aroma, garniert mit einem Hauch von Schweiß und Schießpulver, der noch in der Luft hing, aber ich wollte ganz gewiss nicht mit meinem Retter streiten. Abgesehen davon hätte ich mit seinem Rücken diskutiert, da er sich bereits abgewandt hatte und zum Rand der Lichtung lief. Ich sah ihm hinterher, rieb meine Handgelenke und nahm furchtbare Rache an den Moskitos.
Rings um den Trailer gab es nicht mehr viel zu sehen. Die Streifenpolizisten verfrachteten gerade die Kannibalen hinter Schloss und Riegel, und was mich anging, konnten es gar nicht genug Riegel sein. Die Jungs vom SEK umringten einen der ihren, vermutlich denjenigen, der Kukarov das Gesicht weggeschossen hatte; dessen Miene verriet eine Mischung aus abebbendem Adrenalin und Schock, und seine Schützenkameraden kümmerten sich fürsorglich um ihn.
Insgesamt hatte die Aufregung nachgelassen, und so war es Zeit für Dexters Demission. Nur stand mir leider kein Transportmittel zur Verfügung, und sich auf die Güte von Fremden zu verlassen, ist stets eine unwägbare Angelegenheit. Mit der Güte der Familie steht es häufig sogar noch schlimmer, aber dennoch schien diese Möglichkeit etwas vielversprechender, weshalb ich mich auf die Suche nach Deborah begab.
Meine Schwester kauerte auf dem Fahrersitz ihres Autos und mühte sich, Samantha Aldovar mit Verständnis und Fürsorge zu begegnen. Verhaltensweisen, die ihr absolut nicht lagen, weshalb es für sie selbst dann schwierig gewesen wäre, wenn Samantha mitgespielt hätte. Was sie selbstverständlich nicht tat, und als ich auf den Rücksitz glitt, näherten sich die beiden gerade in rapidem Tempo einem emotionalen Patt.
»Es wird keinesfalls alles wieder gut mit mir«, keifte Samantha gerade. »Warum wiederholen Sie das andauernd, als wäre ich irgendwie behindert?«
»Sie haben einen Schock erlitten, Samantha«, sagte Debs, und obwohl sie eindeutig beruhigend klingen wollte, konnte ich die Anführungszeichen praktisch vor mir sehen, als läse sie aus dem
Handbuch der Behandlung geretteter Entführungsopfer.
»Aber jetzt ist es vorbei.«
»Ich will aber nicht, dass es vorbei ist, verdammt noch mal«, fluchte Samantha. Sie sah flüchtig zu mir nach hinten, als ich die Wagentür zuschlug. »Du Mistkerl«, sagte sie.
»Ich hab überhaupt nichts getan!«
»Du hast sie hierhergeführt. Das war eine Falle.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe keine Ahnung, wie sie uns gefunden haben.«
»Aber sicher«, schnarrte sie.
»Ehrlich.« Ich wandte mich an Debs. »Wie habt ihr uns gefunden?«
Deborah zuckte die Achseln. »Chutsky kam rüber, um mir beim Warten Gesellschaft zu leisten. Als der Teppichtransporter auftauchte, hat er einen Sender daran befestigt.« Das klang einleuchtend: Ihr Freund Chutsky, ein Geheimagent im Unruhestand, verfügte bestimmt über derlei Spielzeug. »Als sie euch raustrugen und wegfuhren, haben wir uns in einiger Entfernung drangehängt. Hier im Sumpf habe ich dann das SEK angefordert. Ich hatte eigentlich gehofft, auch Bobby Acosta zu erwischen, aber wir durften nicht länger zögern.« Sie blickte zu Samantha. »Ihre Rettung hatte höchste Priorität für uns, Samantha.«
»Ach scheiße noch mal, ich wollte überhaupt nicht gerettet werden«, schimpfte Samantha. »Wann kapiert ihr das endlich?« Deborah öffnete den Mund, aber Samantha ließ sie nicht zu Wort kommen. »Wenn Sie jetzt wieder damit anfangen, dass alles in Ordnung kommt, schrei ich, ich schwöre.«
Ehrlich gesagt wäre es eine Erleichterung gewesen, wenn sie geschrien hätte. Ich war Samanthas ewige Nörgelei so leid, dass ich selbst hätte schreien mögen, und ich erkannte, dass meine Schwester auch nicht sonderlich weit davon entfernt war. Doch augenscheinlich hegte Deborah noch immer die Illusion, ein unfreiwilliges Opfer vor einer schrecklichen Erfahrung gerettet zu haben, und obgleich ich sehen konnte, wie ihre Knöchel sich weiß verfärbten, während sie darum kämpfte, Samantha
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