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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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hartnäckig. »Das sind immer Frauen. Du weißt schon, Hexen eben.«
    Nach allem, was ich durchgemacht hatte, erschien mir das völlig unbedeutend, und ich war viel zu müde, um diesen Punkt weiter zu verfolgen. Zum Glück hatte mich die mit Samantha verbrachte Zeit gelehrt, die richtige Antwort zu geben. »Wie du meinst.« Deborah schien damit zufrieden, und nach ein paar weiteren sinnfreien Bemerkungen erreichten wir meine Straße. Deborah ließ mich vor dem Haus aussteigen und fuhr davon, und in meiner Freude, wieder daheim zu sein, dachte ich nicht länger darüber nach.
    Ich wurde erwartet, und aus irgendeinem Grund fand ich das verblüffend und rührend. Deborah hatte Rita angerufen und ihr mitgeteilt, dass ich später kommen würde, sie solle sich keine Sorgen machen, alles in Ordnung, was mir eigentlich von recht herzloser Zuversicht zu künden schien. Aber Rita hatte die Nachrichten gesehen, die die Entführung als Aufmacher brachten – und ehrlich, wie hätten sie widerstehen können? Kannibalen, vermisster Teenager, Schießerei in den Everglades – die Story war einfach perfekt. Mittlerweile hatte sich ein großer Fernsehsender gemeldet, um sich die Rechte zu sichern.
    Trotz Deborahs Versicherungen hatte Rita irgendwie gewusst, dass ich darin verwickelt war und in großer Gefahr schwebte, und sie reagierte wie ein echter Champion. Sie erwartete mich im Zustand völliger Auflösung an der Tür. »Oh, Dexter«, schniefte sie, während sie sich an mich klammerte und mit Küssen fast erstickte. »Wir waren so … Es kam in den Nachrichten, ich hab dich gesehen … Nach Deborahs Anruf.« Wieder küsste sie mich. »Die Kinder haben Fernsehen geschaut, und auf einmal sagte Cody: ›Das ist Dexter‹, und ich bin hingelaufen – es war eine Sondermeldung«, fügte sie hinzu, vermutlich damit ich nicht auf die Idee kam, es ginge um einen Gastauftritt bei
SpongeBob.
»Oh Gott.« Sie schauderte und vergrub ihr Gesicht bis zu den Schultern an meinem Hals. »Du solltest so was nicht tun müssen«, verkündete sie mit gewisser Berechtigung. »Du bist Kriminaltechniker – du hast ja nicht mal eine Waffe … Und das ist nicht … Wie können sie … Aber deine Schwester hat gesagt, die Kannibalen hätten dich gefangen, und im Fernsehen kam das auch, und du hättest das Mädchen gefunden, was bestimmt ganz wichtig war, aber mein Gott, Kannibalen, ich will mir nicht mal vorstellen … Und sie hatten dich, und womöglich wärst du …« Endlich verstummte sie, vermutlich aus Sauerstoffmangel, und konzentrierte sich darauf, in mein Hemd zu schluchzen.
    Ich nutzte die Gelegenheit, mich voller Befriedigung in meinem bescheidenen Königreich umzuschauen. Cody und Astor hockten auf dem Sofa und beobachteten diese Zurschaustellung von Gefühlen mit gleichermaßen angeekelten Mienen. Neben ihnen saß mein Bruder Brian, dessen Lächeln ebenso herzlich wie haarsträubend wirkte. Lily Anne lag in ihrem Körbchen neben dem Sofa und winkte mir mit ihren Füßchen einen liebevollen Willkommensgruß zu. Ein perfektes Familienbild, fertig zum Einrahmen: Die Rückkehr des Helden in sein Heim. Und obgleich ich nicht ganz so erfreut war, Brian vorzufinden, fiel mir auch kein vernünftiger Grund ein, warum er nicht hier sein sollte. Abgesehen davon ist Wohlwollen ansteckend, selbst das vorgetäuschte meines Bruders, und zusätzlich waberte in der Luft ein wundervoller, speichelanregender Duft, als dessen Ursache ich eins der Wunder der modernen Welt identifizierte: Ritas Schweinebraten.
    Dorothy hatte recht. Es ist nirgends so schön wie daheim!
    Es wäre unverzeihlich grob gewesen, Rita mitzuteilen, dass sie nun lange genug in mein Hemd geschluchzt hatte, aber ich hatte eine Menge durchgemacht, einschließlich Hunger, und der Duft, der das Haus erfüllte, versetzte meine Eingeweide in einen Aufruhr, neben dem die Überdosis Ecstasy sich geradezu harmlos ausnahm. Ritas Schweinebraten ist ein bedeutendes Werk der Kunst, das selbst eine Marmorstatue dazu bringen könnte, mit dem Aufschrei »Lecker!« vom Sockel zu springen. Weshalb ich ihr, nachdem ich meine Schulter befreit und getrocknet hatte, innig dankte und mich direkt zum Tisch begab, nur unterbrochen von einem kurzen Blick auf Lily Anne, um ihre Finger und Zehen zu zählen, einfach um mich zu vergewissern, dass sie nach wie vor vollständig waren.
    Dann saßen wir wie ein perfektes Familienporträt um den Tisch, und mir ging auf, wie trügerisch Bilder sein können. Am Kopf

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