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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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meine Tage zu verschönern. Ade, Dex-Daddy.
    Keine Familie, kein Job – nichts. Vermutlich würde sie mir sogar meine Filetiermesser wegnehmen. Es war schrecklich, grauenhaft, unvorstellbar: Alles, woran mir lag, entrissen, mein ganzes Leben ein Fall für die Abfalldeponie – und das nur, weil ich unter Drogen gesetzt worden war? Das war so überaus unfair. Einige meiner Gedanken mussten sich in meiner Miene spiegeln, denn Samantha starrte mich an und begann zu nicken.
    »Sehr richtig«, sagte sie. »Stell dir das nur mal vor.«
    Ich erwiderte ihren Blick, und ich stellte es mir vor. Und ich fragte mich, ob ich nicht dieses eine Mal jemanden entsorgen durfte, weil er etwas noch nicht getan hatte; präventive Spielzeit.
    Doch ehe ich zum Paketband greifen konnte, beschloss Deborah zu Samanthas Glück, es noch einmal mit der Rolle der mitfühlenden Retterin zu versuchen. »In Ordnung«, sagte sie. »Das kann warten. Jetzt bringen wir Sie erst mal nach Hause zu Ihren Eltern.« Und legte Samantha die Hand auf die Schulter.
    Verständlicherweise wischte Samantha die Hand fort, als wäre sie ein lästiges Insekt. »Super«, keifte sie. »Ich kann’s kaum erwarten.«
    »Schnallen Sie sich an«, kommandierte Deborah und wandte sich dann, offensichtlich aus einer plötzlichen Eingebung heraus, an mich. »Ich schätze, du kannst ruhig mitfahren.«
    Fast hätte ich erwidert:
Ach, mach dir keine Mühe, ich bleib hier und füttere die Moskitos,
aber in letzter Sekunde fiel mir ein, dass Deborah keine Expertin in Sachen Sarkasmus war, deshalb nickte ich nur und legte den Gurt an.
    Deborah meldete sich bei der Zentrale: »Ich habe das Aldovar-Mädchen und fahre sie jetzt nach Hause«, und Samantha knurrte: »Was für ein Scheiß.« Deborah warf ihr einen Blick zu, das Gesicht eine steife Grimasse, die vermutlich ein beruhigendes Lächeln darstellen sollte, dann legte sie den Gang ein, und ich durfte auf dem Rücksitz eine gute halbe Stunde mit der Vorstellung verbringen, wie mein Leben in Tausende hübscher Scherben zerbrach. Ein deprimierendes Bild – der entrechtete Dexter, auf den Müll geworfen, seiner sorgsam aufgebauten Tarnung und all seiner praktischen Requisiten beraubt – nackt und ungeliebt und einsam der Kälte ausgesetzt, und ich hatte keine Ahnung, wie ich das verhindern sollte. Ich hatte auf die Knie fallen und betteln müssen, nur damit Samantha nichts unternahm, während ich zu fliehen versuchte – und damals war sie neutral gewesen. Nun, da sie wütend auf mich war, gab es, abgesehen von einer Vivisektion, nichts, was ich tun konnte, um sie vom Petzen abzuhalten. Ich konnte sie nicht einmal den Kannibalen zurückerstatten. Da Kukarov nicht mehr lebte und der Rest der Gruppe entweder verhaftet oder auf der Flucht war, existierte niemand mehr, um sie zu fressen. Das Bild war düster und vollkommen klar: Samanthas Traum war zerstört, woran sie mir die Schuld gab, und sie würde furchtbare Rache nehmen – und ich konnte nichts dagegen tun.
    Ironie hat mir nie sonderlich gelegen, aber jetzt musste ich mir eingestehen, dass sie in reichem Maße vorhanden war: Nach allem, was ich freiwillig und freudig getan hatte, sollte ich über eine schmollende junge Frau und eine Flasche Wasser stolpern? Die Vorstellung war so aberwitzig und subtil, dass vermutlich nur Franzosen sie zu schätzen wussten.
    Um mir die Klemme, in der ich steckte, und ihre Entschlossenheit zu verdeutlichen, drehte sich Samantha während der langen deprimierenden Fahrt über die Route 41 und die Le Jeune zum Haus der Aldovars im Grove alle paar Meilen um und starrte mich wütend an. Und nur, damit ich nicht vergaß, dass auch der übelste Witz eine Pointe hat, murmelte Deborah »Scheiße«, als wir in Samanthas Straße abbogen und uns dem Haus näherten. Ich beugte mich vor und sah durch die Windschutzscheibe: Vor dem Haus tobte ein wahrer Aufruhr.
    »Dieser verdammte Hurensohn«, fluchte sie und drosch mit der flachen Hand auf das Lenkrad ein.
    »Wen meinst du?«, erkundigte ich mich, und zugegebenermaßen war ich froh, dass noch jemand anders ein wenig Ärger bekam.
    »Captain Matthews«, knurrte sie. »Nach meiner Meldung muss er das ganze beschissene Pressecorps informiert haben, damit er Samantha vor laufenden Kameras herzen kann und seine beschissene Nase ins Fernsehen kommt.«
    Und tatsächlich, als Deborah vor dem Haus der Aldovars hielt, tauchte Captain Matthews wie von Zauberhand an der Beifahrerseite auf und streckte die Arme

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