Dexter
den ganzen elenden Arbeitstag nicht gesehen haben. Selbstverständlich regen sie sich auf, wenn ein anderer Fahrer sie behindert. Jeder von ihnen hat eine eigene Lily Anne, nach der es ihn verlangt, und ist verständlicherweise begierig, zu ihr zu gelangen.
Eine schwindelerregende Vorstellung. Zum ersten Mal fühlte ich echte Verwandtschaft mit diesen Menschen. Wir waren miteinander verbunden, ein riesiger Ozean der Menschlichkeit, verbunden in einem gemeinsamen Ziel, und ich erwischte mich dabei, wie ich eine gefällige Melodie summte und jedem ausgestreckten Mittelfinger, der mir begegnete, verzeihend und verständnisvoll zunickte.
Ich schaffte es mit nur wenigen Minuten Verspätung zum Park, und die junge Frau, die nervös am Eingang wartete, lächelte mich erleichtert an, während sie Cody und Astor zu mir herüberschob. »Mr., äh, Morgan«, sagte sie, bereits auf der Suche nach den Schlüsseln in ihrer Tasche »Wie, äh …?«
»Lily Anne geht es ausgezeichnet«, sagte ich. »Sie wird im Handumdrehen hier bei Ihnen mit Fingerfarben malen.«
»Und, äh, Mrs. Morgan?«
»Erschöpft, aber glücklich«, erwiderte ich, was das korrekte Klischee gewesen sein muss, denn sie nickte, lächelte wieder und steckte den Schlüssel ins Schloss der Eingangstür.
»In Ordnung, Kinder«, sagte sie. »Ich sehe euch beide dann morgen. Tschüss!« Damit hastete sie zu ihrem Auto am anderen Ende des Parkplatzes.
»Ich habe Hunger«, verkündete Astor, während wir zum Auto gingen. »Wann gibt es Abendessen?«
»Pizza«, assistierte Cody.
»Zuerst fahren wir ins Krankenhaus«, sagte ich. »Damit ihr eure neue Schwester kennenlernen könnt.«
Astor sah Cody an, und er erwiderte den Blick, und dann sahen beide mich an.
»Baby«, murmelte Cody kopfschüttelnd. Er sagte nie mehr als zwei oder drei Worte, aber seine Eloquenz war bemerkenswert.
»Erst wollen wir essen«, sagte Astor.
»Lily Anne wartet auf euch«, mahnte ich. »Und eure Mutter. Steigt ins Auto.«
»Aber wir haben Hunger«, maulte Astor.
»Findet ihr es nicht wichtiger, eure neue Schwester kennenzulernen?«
»Nein«, sagte Cody.
»Das Baby verschwindet ja nicht, und es tut ja nichts wirklich, außer rumliegen und vielleicht Aa machen«, sagte Astor. »Wir haben
stundenlang
in dem blöden Haus gesessen, und wir haben
Hunger.
«
»Wir können uns im Krankenhaus Schokolade kaufen«, bot ich an.
»Schokolade«, wiederholte Astor, und bei ihr klang es, als hätte ich ihr einen alten Straßenkadaver als Mahlzeit angeboten.
»Wir wollen Pizza«, beharrte Cody.
Ich seufzte. Offensichtlich war rosiger Schimmer nicht ansteckend. »Einsteigen«, kommandierte ich, und nach einem kurzen Blickwechsel und einem säuerlichen Doppelstarren in meine Richtung gehorchten sie.
Die Fahrt zurück zum Krankenhaus hätte theoretisch genauso lang dauern müssen wie die Fahrt vom Krankenhaus zum Park. Tatsächlich schien sie doppelt so lang, da Cody und Astor sich auf dem gesamten Weg in vollkommenes, schmollendes Schweigen hüllten – abgesehen von den Gelegenheiten, bei denen wir an einer Pizzeria vorbeifuhren und Astor brüllte: »Da ist ein Papa John’s«, oder Cody leise bemerkte: »Dominos.« Ich fuhr schon mein ganzes Leben durch diese Straßen, aber mir war nie zuvor bewusst geworden, wie sehr die komplette Zivilisation Miamis von Pizza dominiert wird. Die Stadt bestand praktisch aus Pizzerien.
Ein geringerer Mann wäre mit Sicherheit schwach geworden und hätte an einer der zahllosen Pizzabuden gehalten, zumal der Duft heißer Pizza trotz der laufenden Klimaanlage irgendwie ins Auto wehte und seit meiner letzten Mahlzeit einige Stunden vergangen waren. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, und jedes Mal, wenn eins der Kinder »Pizza Hut« rief, war ich schwer versucht, den Wagen abzustellen und eine Große mit allem in Angriff zu nehmen. Aber Lily Anne wartete, und mein Wille war stark, deshalb biss ich die Zähne zusammen und blieb auf dem schmalen und geraden Dixie Highway, und schon bald war ich zurück auf dem Krankenhausparkplatz und versuchte, zwei unwillige Kinder ins Gebäude zu scheuchen.
Das Gezeter hielt den ganzen Weg über den Parkplatz an. Einmal blieb Cody sogar einfach stehen und sah sich um, als hätte er gehört, wie jemand seinen Namen rief, und setzte sich nur äußerst widerwillig wieder in Bewegung, obgleich er nicht einmal auf dem Bürgersteig stand.
»Cody«, sagte ich. »Mach voran. Du wirst gleich überfahren.«
Er ignorierte mich;
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