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Dexter

Dexter

Titel: Dexter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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meinte Brian mit hochgezogener Augenbraue, und sie kicherte.
    »Ich vermute, das finden wir nur heraus, wenn wir es ihn versuchen lassen«, erwiderte sie, lächelte ihn tatsächlich kokett an und ließ sich auf dem Sofa nieder. »Dexter, würdest du bitte … Drei Schippchen für sechs Tassen, und das Wasser gießt du in die …«
    »Ich glaube, das schaffe ich«, unterbrach ich sie, und falls ich ein wenig säuerlich klang, wer hatte mehr Recht dazu? Während Brian sich auf mein Sofa neben meine Frau setzte, stapfte ich in die Küche, um Kaffee zu kochen. Und während ich klappernd die Kanne an der Spüle füllte und das Wasser in die Maschine goss, hörte ich tief in meinem Inneren das leise Schlagen von Fledermausflügeln, als der Passagier beiseitetrat. Doch aus den eisigen Windungen von Dexters angeblich so machtvollem Verstand drang nur verwirrtes, unsicheres Stammeln. Der Boden unter meinen Füßen schien sich aufzutun; ich hatte das Gefühl, von den verruchten Armeen der Finsternis gedemütigt, bedroht und überfallen zu werden.
    Warum war mein Bruder zurückgekehrt? Und warum war ich deswegen so furchtbar verunsichert?

[home]
    10
    E in paar Minuten später hatte ich den Kaffee in Tassen gegossen und diese zusammen mit der Zuckerdose und zwei Löffeln auf ein Tablett gestellt. Ich trug es vorsichtig durch die Tür ins Wohnzimmer und erstarrte. Das Bild vor meinen Augen war das häuslichen Glücks, in jeder Hinsicht bezaubernd – abgesehen von der Tatsache, dass ich kein Teil davon war. Mein Bruder hatte sich mit Rita auf dem Sofa eingerichtet, als würde er schon immer hier wohnen. Cody und Astor standen davor und betrachteten ihn fasziniert, und ich verharrte reglos in der Küchentür und beobachtete die Szene mit wachsendem Unbehagen. Brian hier auf dem Sofa, Rita, die sich zu ihm hinüberbeugte, während sie mit ihm sprach, Cody und Astor, die zusahen – es war einfach unheimlich, surreal. Die Bilder passten nicht so recht zueinander, waren aber sehr beunruhigend, als beträte man eine Kathedrale, um die Messe zu besuchen, und auf dem Altar kopulierte ein Pärchen.
    Brian schien selbstverständlich vollkommen ungerührt. Ich nehme an, das ist einer der großen Vorteile der Unfähigkeit zu fühlen; er schien es auf meinem Sofa so behaglich zu haben, als wäre er darauf groß geworden. Und wie um zu betonen, dass er anscheinend eher dorthin gehörte als ich, sah er mich mit dem Kaffee herumstehen und winkte mich zu dem Sessel neben dem Sofa.
    »Setz dich, Bruder«, sagte er. »Fühl dich ganz wie zu Hause.«
    Rita richtete sich ruckartig auf, und Cody und Astor drehten den Kopf in meine Richtung und beobachteten, wie ich den Kaffee servierte.
    »Oh!«, machte Rita, und in meinen Ohren klang sie ein bisschen schuldbewusst. »Du hast die Sahne vergessen, Dexter.« Und ehe jemand etwas sagen konnte, war sie in der Küche verschwunden.
    »Du nennst ihn dauernd
Bruder
«, sagte Astor zu Brian. »Warum sagst du nie seinen Namen?«
    Brian blinzelte, und ich spürte eine Welle der Verbundenheit. Es ging nicht nur mir so – Astor hatte auch ihn auf ein Augenzwinkern reduziert. »Ich weiß nicht«, antwortete er. »Ich nehme an, weil die Beziehung für uns beide so eine Überraschung ist.«
    In perfekter Übereinstimmung schwangen Codys und Astors Köpfe zu mir herum.
    »Ja«, bestätigte ich, und es war die Wahrheit. »Eine totale Überraschung.«
    »Warum?«, bohrte Astor. »Viele Leute haben Brüder.«
    Ich hatte keine Ahnung, wie ich das erklären sollte, und spielte auf Zeit, indem ich das Tablett abstellte und mich in den Sessel setzte.
    Und wieder war es Brian und nicht ich, der die Stille unterbrach.
    »Familie haben auch viele Leute«, erklärte er. »Wie ihr zwei. Aber Bruder … Dexter und ich nicht. Wir sind, hm, verwaist. Unter sehr unerfreulichen Umständen.« Er lächelte sie wieder strahlend an, und ich bin ziemlich sicher, dass ich mir ein Flackern in seinem Blick diesmal nur einbildete. »Besonders ich.«
    »Was meinst du damit?«, fragte Astor.
    »Ich war Waise«, erklärte Brian. »Ein Pflegekind. Ich bin in einer ganzen Reihe von Haushalten aufgewachsen, wo man mich nicht mochte und mich nicht wirklich wollte, aber bezahlt wurde, um mich zu behalten.«
    »Dexter hatte ein Zuhause«, sagte Astor.
    Brian nickte. »Ja, das stimmt. Und jetzt hat er ein anderes.«
    Ich spürte eisige Krallen in meinem Rücken und wusste nicht, warum. In Brians Worten lag doch gewiss keine Drohung, und

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