Dezembergeheimnis
geworden ist! Frau Peters macht den Laden jetzt alleine zu und hat Stella und mich nach Hause geschickt. Stelli war so nett, mich nach Hause zu fahren. Ich hab dafür auch was zu essen mitbekommen.« Triumphierend hielt er eine Tupperdose nach oben, die wahrscheinlich irgendeinen Kuchenteig enthielt. Doch Lea starrte ihn nur erneut an. Stelli?
Für einen Moment glaubte sie, sich übergeben oder zumindest die passenden Geräusche imitieren zu müssen. Doch stattdessen zwang sie sich ein Lächeln auf die Lippen. Eifersucht war schlecht. Wenn sie eines durch all den Liebeskummer jeglicher Freundinnen gelernt hatte, dann das.
Sei artig
, mahnte sie sich. »Das ist aber nett.«
»Ja, das fand ich auch. Habe mich natürlich auch, Gentleman der ich bin, wohlerzogen bedankt.«
Kill it, kill it with fire.
Lea nutzte den Moment, in dem Noel seine Sachen ablegte, die Augen zu schließen und tief durchzuatmen. Nur wenige Sekunden später ließ er sich mit Löffel und Schüssel bepackt neben ihr nieder und lächelte sie an. Genau nach diesem Gesichtsausdruck hatte sie sich den ganzen Tag gesehnt. Wie immer sah er viel zu gut aus. Aber leider kam es Lea wie hundert Jahre vor, dass sie sich das letzte Mal sicher gewesen war, dass er ihretwegen so gestrahlt hatte. Das versetzte ihr einen kleinen Stich.
Wie konnte sie jemanden wie dieser Stella verübeln, wenn sie sich in Noel verliebte?
Lea ließ die Schultern hängen. Am liebsten wollte sie einfach aufstehen, gehen und sich unter ihrer Bettdecke verkriechen. Doch Noel sah sie an und sie wusste, dass sie nicht einfach gehen konnte.
»Wie war dein Tag?«, fragte sie. »War es sehr anstrengend?«
»Es ging. Die paar Stunden mehr oder weniger … « Er zuckte gönnerhaft mit den Schultern, ehe er lachte. »Okay, wem will ich was vormachen: Es war super anstrengend! Mir tut alles weh. Aber es hat auch viel Spaß gemacht und ich habe schon wieder so viel gelernt! Hast du meine Nachricht auf dem Anrufbeantworter bekommen?«
Lea nickte.
»Ha-ha!« Er boxte mit seiner Faust in die Luft. »Aber das nächste Mal will ich unbedingt richtig mit dir telefonieren!«
»Das nächste Mal?«, wiederholte Lea mit dünner Stimme. »Wirst du jetzt oft so lange arbeiten müssen? Ist das überhaupt zulässig, so lange Schichten?«
Noel zog die Stirn kraus und ließ den Löffel in die Schüssel fallen. »Lea, machst du dir wieder Sorgen?«
Nun rollte sie doch mit den Augen. »Tut mir leid, dass ich ein bisschen für dich mitdenke. Ich glaube nur nicht, dass es normal ist, schon in der ersten Woche Sechzehn-Stunden-Schichten zu schieben. Wenn ihre Bäckerei so schlecht besetzt ist, müssen sie eben mehr Leute einstellen. Vier Leute im Personal sind einfach schlecht geplant.«
»Wir sind ja nicht nur vier, nur heute konnten halt nicht mehr … Dafür habe ich morgen früher Feierabend und das ganze Wochenende frei.«
»Na, besser ist das auch.«
»Sei nicht böse, das war heute wirklich eine Ausnahme.«
Darauf sagte Lea nichts mehr, sondern starrte nur auf ihre Unterschenkel, die sie im Schneidersitz angezogen hatte.
»Wie war denn dein Tag? Du wirkst nicht so, als ob die Stimmung in der Bibliothek schon besser wäre.«
»Doch, ist sie. Maria hat sich wieder ein wenig erholt.«
»Wirklich? Das freut mich zu hören! Stella hat gesagt, dass sie–«
»Ich glaube, ich gehe jetzt ins Bett. Ich bin ganz schön müde«, unterbrach Lea ihn. Wirklich, sie sollte aufhören! Wie konnte sie nur auf jemanden, den Noel erst seit so kurzer Zeit kannte, derart eifersüchtig sein?
»Oh, okay. Schade, aber wenigstens haben wir uns noch mal gesehen. Dann schlaf gut. Fährst du mich morgen wieder?«
»Ja«, erwiderte sie knapp, ehe sie auch schon aus dem Zimmer geflüchtet war.
Zehn Minuten später in ihrem Bett starrte sie Löcher in die Luft und schämte sich für den übereilten Abgang. Sie musste wirklich lernen, ihre Gefühle besser zu kontrollieren. Und außerdem hatte sie ihn nicht mal wegen der Dienstreise gefragt … aber dazu blieb ja vielleicht am nächsten Morgen immer noch Zeit. Doch eigentlich hatte sie das nicht zwischen Tür und Angel klären wollen. Eigentlich hatte sie den ganzen Abend nicht zwischen Warten und Fräulein »Sommersprossen« Stella verbringen wollen.
Nach einer schieren Ewigkeit fiel Lea für ungefähr zwei Stunden in einen unruhigen Schlaf, ehe sie wieder mit offenen Augen ins Dunkle starrte. Die Gedanken in ihrem Kopf wirbelten durcheinander, aber neben all
Weitere Kostenlose Bücher