Dezemberglut
Falls er immer noch wütend auf Max sein sollte, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.
„Hallo Süße.“ Max musterte mich aufmerksam und grinste erneut , als mir das Blut ins Gesicht schoss.
Höflichkeit, Takt und Diskretion. Ganz genau. Ich spürte die vielen Blicke. Damians Gesicht war wieder leer, eine Maske aus Arroganz. Wie ich ihn um diese Coolness beneidete.
Aber in einem Punkt hatte Damian recht: Niemand verlor ein einziges Wort.
Ich schlenderte zu Tiffany, die sich zur Abwechslung hier oben aufhielt, und setzte mich neben sie.
„Ich freue mich so für dich“, sagte sie und umarmte mich. „Ganz ehrlich gesagt, ich war mir nicht sicher, ob du dein Happy End wirklich bekommst. Männer sind so unberechenbar.“ Sie senkte ihre Stimme. „Und Damian hat ja einen so ung e mein … schwierigen Ruf, selbst für einen der Älteren. Aber er ist absolut heiß.“ Sie fächerte sich demonstrativ Luft zu. „Als ich euch eben zusammen gesehen habe, hast du ja richtig gestrahlt, und er … irgendwie auch, für seine Verhältnisse. Ich habe mich immer schon gefragt, wie er wohl mit einem Lächeln aussieht. J e denfalls konnte er nicht die Finger von dir lassen.“ Sie spielte mit der Obsteinlage ihres Cocktails.
„Sollen wir nach unten gehen?“, fragte ich.
„Ich dachte, du wärest ab heute vielleicht lieber oben.“
„Nein.“ Ich schnaubte. „Glaubst du, ich würde jetzt immer neben Damian st e hen und Händchen halten? Wir fahren später zusammen nach Hause, aber bis dahin will ich lieber nach unten. So wie immer. Und ohne dich macht es keinen Spaß.“
„Wirklich?“ Sie griff nach ihrem Glas und leerte es in einem Zug, dann gingen wir nach unten an unseren Lieblingstresen.
„Ich will mich vorerst lieber nicht auf einen Mann einlassen“, verkündete Tiffany. „Stattdessen will ich entscheiden, wie ich meine Talente und meinen g u ten Geschmack am besten in die Gemeinschaft einbringe. Ich glaube, ich werde in der Zentrale arbeiten. Sam sieht oft so aus, als könnte er Unterstützung gebra u chen.“
Ich dachte an den ruhigen Sam und nickte stumm.
„Oder ich könnte an der Rezeption vom Aeternitas arbeiten. Für Achim. Er ist so cool mit seinen langen Haaren. Findest du nicht? Sonya hat mir erzählt, dass er meditiert. Irgendwie so zenmäßig oder buddhistisch, weißt du? Kannst du dir das vorstellen, einen meditierenden Vampir? Aber an der Rezeption muss man Fremdsprachen beherrschen, hat Sonya gesagt. Auch als Vampir. Ich habe früher nie genug für meine Bildung getan“, überlegte Tiffany. „Ich werde anfangen, En g lisch zu lernen. Und Spanisch. Man muss auch Spanisch können, findest du nicht? Meine Kenntnisse sind noch ausbaufähig, und jetzt habe ich ja Zeit genug. Ich könnte auch für Andrej arbeiten. Im Personenschutz der Nacht-Patrouille . Dann würde ich all die coolen Schauspieler, Sänger und Bands kennenlernen. Wenn Andrej mich an den Verhandlungen teilnehmen ließe.“ Sie blies düster die Wa n gen auf. Für diese Vorstellung reichte selbst ihr Optimismus nicht aus. „Ich kön n te mehr lesen. Bücher, nicht nur Illustrierte. Lesen ist gut, weißt du?“
Ich nickte erneut. Ich liebte Tiffany. Und sie hatte so wenig Ahnung von B ü chern wie ich von Zehenmodellage. Wäre sie losgezogen, um in einer Buchhan d lung Die zwei Türme von Tolkien zu kaufen, hätte sie bestimmt in der Abteilung für Architektur nachgefragt.
„Es ist zwar schön, weiter als Nagel-Stylistin zu arbeiten, aber das füllt mich nicht mehr aus, verstehst du? Vampire sind keine gute Kundschaft. Es gibt unter ihnen viel zu wenige Frauen mit Stil und Geschmack. Besonders die Älteren sind absolut beratungsresistent. Und Sonya erlaubt mir nicht, wieder einen eigenen Laden zu führen. Draußen, für Menschen. Sie meint, es ist noch nicht genug Zeit vergangen.“
„Du könntest wiedererkannt werden. Auch mit einer neuen Identität.“
„Das stimmt. Eine Durchschnittsfrau war ich nie.“ Tiffany seufzte. „Ich war einfach in allem viel zu gut.“
„Das bist du, immer noch“, stimmte ich zu. „Und du hast Zeit, alles auszupr o bieren, was du willst. Eine neue Beschäftigung. Ein neuer Look. Du bist eine K ö nigin der Nacht, das hast du selbst gesagt.“
Tiffanys Augen begannen zu leuchteten. „Das stimmt. Ich bin eine Frau mit vi e len Talenten. Und i ch habe das Glück und die Zeit, sie alle verwirklichen zu dü r fen.“
***
Als Damian mit Charis schließlich gemeinsam den
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