Dezemberglut
würde sie bei jeder Entscheidung unterstützen. So lange es sie glücklich machte. Da konnte er sie doch nicht nur aus einem unguten Gefühl heraus überreden, zu Hause zu bleiben?
Charis wachte auf. Sie streckte sich, rollte sich noch dichter an ihn heran und l ä chelte. „Wie spät ist es?“
„Gleich sechs. Du kannst noch weiterschlafen.“
„Hmm…“ Ihre Hand bewegte sich langsam abwärts und blieb zwischen seinen Beinen, fing an ihn dort zu streicheln.
„Aber du bist doch auch schon wach.“
***
Die Nacht der Rache stand bevor.
Christian war nervös. Alle Vorbereitungen waren nahezu abgeschlossen .
Sie fuhren über den Parkplatz des Wilhelmina , wo e inige Autos der Nacht-Patrouille parkten. Christian wies seine Auftragnehmer auf die bevorzugten Autokennze i chen der Gemeinschaft hin. B – NP, B – V, manchmal auch die Anfangsbuchst a ben der älteren Vampire, wenn diese ein bestimmtes Auto für den persönlichen Gebrauch bevorzugten, so wie es bei Andrej, Jack oder Damian der Fall war.
Dann verstummte er.
Richard. Vor dem Seiteneingang stand Richard. Er hatte die Hände in den T a schen der Lederjacke vergraben, die ein Geschenk von ihm gewesen war , und schaute gedankenverloren in die Nacht.
Richards Anblick traf Christian mitten ins Herz. Sein zerzaustes Haar, das ve r traute Gesicht. Christian konnte den Blick nicht von ihm lösen .
Dieser verlangende Schmerz, diese verzweifelte Sehnsucht , die sein Anblick au s löste, war ganz anders als die nach Martins Blut – eine Qual, die er noch nie zuvor gespürt hatte. Richard. Wenn er wüsste. Christian sah sich plötzlich mit Richards Augen. Er spürte den heftigen Aufprall des Entsetzens, der ihn erschütterte und völlig aus der Bahn stieß.
Christian wurde bewusst, wer er jetzt war – und was er getan hatte, seit er Ma r tin befreite und alles wie ein wundervolles Abenteuer begonnen hatte. Er sah das Gesicht der Frau, die er getötet hatte und von der er noch nicht einmal den N a men wusste, all die Scheußlichkeiten, die er getan hatte – für Martin und für sich selbst – und konnte alles unmöglich mit diesem Gesicht vereinbaren.
Richard hob den Kopf und schaute in seine Richtung.
Christian spürte seinen suchenden Blick.
„Schneller“, sagte er heiser. Der Wagen bog ab und verließ den Parkplatz. Chri s tians Herz raste. Richard. Wie schön er war. Plötzlich traten ihm die Tränen in die Augen. Was er wohl so machte? Und mit wem?
Auch er fuhr ausschließlich die Autos der Nacht-Patrouille . Wenn nun auch er ? Das würde er sich nie verzeihen. Niemals. Aber was konnte er tun?
Christian dachte an seine letzte Begegnung mit Martin. Martin hatte ihn hart am Kinn gepackt – was er unglaublich hasste – und gefragt, ob er noch oft an seinen hübschen dunkelhaarigen Freund dachte.
Christian hatte versucht, seinen Geist vor Martin zu verschließen, aber es war ihm nicht gelungen, das tat es nie.
Martin hatte gelächelt. „Du wirst meinen Plan ausführen. Und niemanden von der Gemeinschaft warnen, nicht wahr?“
Christian hatte genickt. Es war ihm unmöglich, Martins Macht zu widerstehen und sich seinem Befehl zu widersetzen. Nun fragte er sich, was er tun konnte, um Richard zu retten. Wenn er ihn nicht warnen konnte. Oder Sam. Wen sonst kon n te er anrufen? Es gehörten doch alle zur Gemeinschaft, irgendwie.
Die Polizei? Viel zu unsicher. Was, wenn sie seine Warnung nicht ernst nehmen würde? Ellen. Ellen fiel ihm ein. Ellen war definitiv kein Mitglied der Gemei n schaft, aber sie würde seine Warnung verstehen. Und ganz bestimmt weitergeben.
Kapitel 34
Ellen betrat die Personalküche der psychotherapeutischen Station. Die Küche war verlassen bis auf Paula, die neben der Mikrowelle stand und auf ihre Kohlsuppe wartete. Paula war auf Diät.
„Da hat jemand für dich angerufen“, meinte sie. „Ein Mann, der dich unbedingt persönlich sprechen wollte. Schon drei Mal.“ Ihr Gesicht bekam einen grübler i schen Ausdruck. „Die Stimme kam mir bekannt vor, aber er wollte weder seinen Namen noch eine Nachricht hinterlassen.“
„Dann kann es ja nicht wichtig gewesen sein.“ Ellen steuerte die Kaffeemasch i ne an und hob prüfend die Thermoskanne. Leer. Sie seufzte und suchte nach der Kaffeedose und dem Päckchen mit Kaffeefiltern, um frischen zu kochen. In zehn Minuten würde das nächste therapeutische Einzelgespräch beginnen.
„Aber wenn er nochmals anruft, stell ihn ausnahmsweise durch“, sagte sie aus
Weitere Kostenlose Bücher