Dezemberglut
Suche nach Nervennahrung. Ich war spät dran und eigentlich auf dem Weg zur Uni.
Damian erzählte kurz, was vorgefallen war.
Ich glaubte, meinen Ohren nicht zu trauen. „Da war eine Bombe unter deinem Auto? Aber …?“
„Der Wagen ist wieder in Ordnung. Es gibt Spezialisten für so etwas.“
„Es geht mir doch nicht um dein Auto. Es geht mir …“
„Komm zur Zentrale“, unterbrach er mich. „Sofort. Das ist der einzige Ort, an dem du sicher bist.“
„Ich? Ich BIN sicher. Niemand kennt mich oder weiß, wo ich wohne. Aber du …?“
„Wenn ich könnte, Charis, wäre ich jetzt unterwegs zu dir. Also nimm dir ein Taxi. Sofort. Ich erwarte dich in der zweiten Parkebene vom Aeternitas.“ Damian legte einfach auf.
Ich versuchte sofort, ihn zurückzurufen, aber er nahm nicht ab. Alte Menschen können nervig sein ! Ich war so sauer, weil Damian mich herumkommandierte und aufgelegt hatte, dass ich überlegte, seinen Wunsch einfach zu ignorieren. Er war es doch, auf den ein Anschlag verübt worden war. Nicht ich ! Aber etwas in Damians Stimme hatte mir gesagt, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt zum Streiten war. Also schluckte ich meinen Ärger hinunter und nahm das Taxi, so wie er es wollte.
Damian erwartete mich im Parkhaus. Er stand mitten auf der Fahrbahn und sah dem Licht der Scheinwerfer entgegen.
Ich sah den Ausdruck in seinem Gesicht, die riesige Erleichterung. Während ich ausstieg, drückte er dem Taxifahrer viel zu viel Geld in die Hand, bevor der den Betrag überhaupt nannte. Dann zog er mich in eine Umarmung, die mir die Füße wegzog – im wahrsten Sinne des Wortes. Nach seinem Kuss fühlte ich mich ganz schwach und war froh, dass er mich noch immer festhielt.
„Du wirst die Zentrale in den nächsten Tagen nicht verlassen. Keinen Fuß vor die Tür setzen. Versprich mir das.“
Auch wenn ich das völlig übertrieben fand – in diesem Moment hätte ich ihm nichts abschlagen können. „Frau Bergdorf liegt im Krankenhaus. Ich wollte sie nachher besuchen“, wandte ich ein.
„Ich komme mit“, sagte er sofort. Sein Gesicht verzog sich zu einem halben L ä cheln. „Das wird ihr sowieso lieber sein.“
Das stimmte. Es würde ihr gefallen, vor den anderen Patientinnen und Kra n kenschwestern mit ihm anzugeben. „Und Püppi?“
„Die holen wir danach. Und alles, was du aus dem Haus brauchst.“
Was musste er über Liebe sprechen? Wenn sie da war.
***
Vadim sah auf sein Handy und erkannte die Nummer auf seinem Display. „Richard?“, fragte er atemlos. „Wo bist du?“
Richard räusperte sich. „Schwanenwerder.“ Seine Stimme klang belegt.
„Ich setze mich in ein Taxi und komme zu dir, in Ordnung?“ Vadim spürte Richards Zögern, bevor dieser endlich seine Zustimmung gab. Er steckte sein Handy weg . F ühlte Erleichterung und Freude . Das Ausgehverbot , das Sam mit so viel Strenge ausgesprochen hatte, war ihm nun völlig egal.
Richard war ein fantastischer Liebhaber, und der Sex mit ihm unglaublich gew e sen. Doch Richard hatte i h n durch Himmel und Hölle geschickt. Denn d anach, als der Wahnsinn irgendwann verebbte, war es Vadim , der Richard mit s amt seiner Trauer sanft in den Armen hielt.
N ach dieser unglaublichen Nacht war Richard ihm aus dem Weg gegangen. Lange hätte Vadim es nicht mehr ausgehalten, dieses Verhalten hinzunehmen und zu ertragen. Er wusste: Er wollte Richard und würde um ihn kämpfen. Und falls er je wieder auf Christian träfe, den er sowieso nie hatte leiden können, würde er ihn umbringen, ohne mit der Wimper zu zucken.
Vadim zahlte den Taxifahrer und klingelte an dem schmiedeeisernen Tor. Es dauerte, bis der Summer ertönte, doch dann erwartete ihn Richard am Eingang der alten Villa. Vadim war noch nie zuvor hier draußen gewesen, aber er nahm sich nicht die Zeit, seine Umgebung, die es durchaus wert gewesen wäre, zu b e staunen. Er hatte nur Augen für Richard, an den er sein Herz verloren hatte, seit er ihn das erste Mal sah. Richard mit seinem schwarzen, lockigen Haar, das er, wenn es nach ihm gegangen wäre, noch länger tragen sollte, den blauen Augen, der Ausstrahlung ruhiger Kraft, diesem Lachen in seinen Augen, das er gern wi e der zum Leben erwecken wollte. Noch nie zuvor hatte Vadim einen Mann so anziehend gefunden wie ihn.
„ Schön hier.“ Aber Va d ims Lächeln zeigte, dass er in Gedanken ganz woanders war. Bei Richard. „Und nun zeig mir, wo du wohnst.“ Er sah, wie Richard auf seinen hungrigen Blick reagierte.
Weitere Kostenlose Bücher