Dezemberglut
Lächeln.
Christian kannte Martin gut genug, um sich nur noch mehr zu fürchten.
„Sie ist aus dem fahrenden Auto gesprungen? Auf ihrer Flucht von einem Auto erfasst und getötet worden?“
Christian nickte. „Es tut mir leid. Ich wollte sie zu dir bringen, und wir hatten sie sicher. Aber dann hat Torsten die Tür …“
„Ich verstehe“, unterbrach ihn Martin nachdenklich. „Diese junge Frau hatte etwas ganz Besonderes an sich . Nun wird es nie dazu kommen, dass ich ihr Blut koste. Der Duft ihres Blutes war wie der dieser Frau, die Julian gehört. Und das ist sehr … speziell.“ Martin schnalzte mit der Zunge.
„Es tut mir so leid“, wiederholte Christian reflexartig.
„Was soll ich nur mit dir machen, Christian? Es ist nicht mehr so wie früher, als wir beide noch allein waren und ich nachsichtig und milde sein durfte. Ich habe jetzt eine Familie. Alle wissen, dass du versagt hast, und ich muss ein guter und gerechter Vater sein.“
„Bitte!“ Ohne nachzudenken griff Christian nach Martins Hand. „Bin ich nicht schon gestraft genug?“, fragte er verzweifelt.
„Oh ja. Dein Gesicht war so makellos. Zuvor.“ Martin streichelte ihm über die Wange.
Christian zuckte vor Schmerz zusammen, die Verletzung brannte noch immer wie Säure. Charis war mit dem kleinen Kreuz abgerutscht, dennoch würde eine Narbe zurückbleiben.
Martin gab beruhigende Laute von sich und strich ihm durch das Haar. „Du hast nun schon zum zweiten Mal versagt. Das kann ich dir nicht durchgehen la s sen, verstehst du? Was für ein Vater wäre ich? Für dich? Und für deine Brüder und Schwestern?“ Martin schüttelte den Kopf. „Dieser Junge, dessen du dich so gern bedienst, Lukas, er könnte deine Strafe vollziehen.“
Christian erschrak. Lukas hasste ihn.
„Er könnte dich so lieben, wie du es so gern tust. Vor allen anderen.“ Martin schwieg nachdenklich. „Ja. Das erscheint mir angemessen. Oder einige Hiebe mit der Silberpeitsche. Dann wäre auch dein Rücken nicht mehr ganz so glatt und vollkommen.“
Die Silberpeitsche hing über der Tür des Aufenthaltsraums. Martin hatte die Schnur selbst geflochten.
„Nein! Bitte! Es war doch nicht meine Schuld …“
„Ja.“ Martin nickte. „Die Peitsche scheint mir die bessere Wahl.“
Die Strafe wurde am Abend vollzogen.
Christian blickte dabei in die Gesichter der anderen. Er sah gespannte Vorfre u de oder abgestumpfte Blicke, die nirgendwohin gerichtet waren.
Torsten grinste ihn an.
Lukas schlug zu mit all seiner Wut.
Christian schrie.
Als es vorbei war, schnitt Martin Christian die Fesseln ab, küsste ihn, verweige r te ihm sein Blut und ließ ihn liegen.
Keiner kam Christian zu Hilfe. Keiner ging auch nur zu ihm hin.
Irgendwann schaffte es Christian, aufzustehen. Jeder wich seinem Blick aus, als er sich ins Bad schleppte.
Das Wasser brannte wie Feuer in seine m aufgerissenen Rücken, aber er zwang sich, es zu ertragen, denn er musste alles herausschwemmen aus den Wunden, jeden möglichen Silberpartikel, der sich noch darin befand. Seit seiner Wandlung hatte Christian nicht mehr solche Schmerzen gehabt. Er ging nach draußen, ve r kroch sich zwischen den Holzstapeln hinter dem Haus , zitter nd vor Angst und Schmerz. Dort fasste er einen verzweifelten Plan.
Als die Morgendämmerung kam, schlug er zurück. In dem Raum, in de m die Vampire schliefen packte er Lukas, riss ihm die Hä n de zurück und fesselte ihn. Dann nahm er ihn von hinten.
Lukas schrie und brüllte. Er war stark, aber er wehrte sich vergeblich. Er wurde nicht von dem glühenden Zorn der Erniedrigung, dem verzweifelten Überleben s willen gejagt, den Christian seine Rache unerbittlich wie ein Berserker vollstrecken ließ.
Auch Lukas bekam keine Hilfe.
Endlich ließ Christian von ihm ab. Wenn es ihm nicht gelungen wäre, die Ve r hältnisse wieder zurechtzurücken, hätte er innerhalb der Familie keine ruhige M i nute mehr gehabt.
Nun würde man ihn in Frieden lassen.
Kapitel 37
Feuer versengte das Blut in meinen Adern.
Mir war heiß und ich fror entsetzlich.
Meine Haut, mein Fleisch, sogar meine Knochen standen in Flammen.
Mein Körper existierte nur noch, um mich zu foltern. Da war nur noch Durst.
Und dann kam die Wut. Es war eine Wut, die tief in mein Gedächtnis eing e brannt war und mich vollends übernahm. Eine Wut, die stärker war als ich und mich mit sich riss.
Ich starrte wieder zur Decke über mir, sah den Wasserfleck, spürte Zähne an meinem Hals, die mir
Weitere Kostenlose Bücher