Dezemberglut
des anderen gab, empfand er es jetzt. Denn nun gab es zwei, die er töten konnte. Er packte die Frau und drückte sie zu Boden. Die Fliesen waren hart und kalt. Ihre Augen waren weit aufgerissen, bewegten sich in ihren Höhlen, als suchten sie vergeblich einen Au s weg.
Der andere spürte, fühlte, witterte ihr Entsetzen, das sie aus jeder Pore ausdün s tete. Es hüllte sie ein, unbezahlbar wie ein einzigartiges Parfum, und ihre Ve r zweiflung war der Funke, der d as Feuer seiner Lust entzündete . Der Körper re a gierte unmittelbar, legte sich auf sie.
Sie wimmerte, wehrte sich aber nicht. Damian fragte sich, ob sie wusste, dass sie verloren war oder glaubte, ihre Passivität würde ihr und dem Kind das Leben retten. Er spürte die Zähne des anderen, die sich langsam in ihrem Fleisch ve r senkten, wehrte sich gegen die Erregung, die der Biss auch in ihm auslöste, schmeckte das warme Blut in seinem Mund. Der Biss war tief, aber nicht tödlich, noch nicht. Der andere spreizte die Beine der Frau . Nun fing s ie plötzlich doch an, zu schreien.
Damian sammelte all seine K raft, kämpfte und widersetzte sich mit rasender, wütender Verzweiflung, um den anderen aufzuhalten. Er spürte einen Ruck, als w ü rde er plötzlich losgelassen, und schlug die Augen auf.
Zuerst wusste er nicht, wo er sich befand, dann fiel sein Blick auf die leere Wand neben seinem Bett, den Stuhl und Kleiderschrank. Seine Erleichterung wechselte sich ab mit unbändigem Zorn. Denn obwohl er alles, was er eben in diesem Traum gesehen , alles, was dieser Körper darin getan hatte, zutiefst vera b scheute, war da Erregung, die Lust nach Blut und Sex, der Teil seiner Natur, den er mit dem anderen gemeinsam hatte, und hasste ihn und sich selbst dafür umso mehr.
Er zitterte, setzte sich auf und versuchte, sich zu konzentrieren, zu verstehen, was passiert war. Das war doch nur ein Traum gewesen – oder doch Realität?
Nur ein Traum, beschwor er den Tag. Denn wenn das, was er eben miterlebt hatte, Realität gewesen wäre, hätte er die Einleitung zu einem abscheulichen Mord miterlebt. Die Frau würde nicht mehr lange leben, und er konnte nicht das G e ringste tun, um sie zu retten.
Ein Albtraum, entschied er. Ein Albtraum, der seine schlimmsten Ängste mehr als anschaulich zusammenfasste: Die Verbundenheit mit einem Dämon. Absolute Hilflosigkeit.
Besessenheit. Seine mögliche Zukunft.
Damian hob die Hand, um sich über die schweißnasse Stirn zu wischen, und hielt inne, als er das Blut bemerkte. Sein Arm brannte, die Wunde hatte sich g e öffnet, ohne dass er es bemerkt hatte. Das war schon lange nicht mehr passiert.
Er stand auf, schwankte, stützte sich ab und schmierte dabei Blut an d ie Wand. Im Bad nahm er das Verbandszeug aus dem Regal. Während er die Wunde schnell und routiniert versorgte, grübelte er weiter und kam zu keinem Ergebnis.
Julian. Zum ersten Mal seit Jahren verspürte er den Wunsch, sich ihm anzuve r trauen . Julian verstand und wusste so viel mehr als er.
Sogar über ihn selbst.
***
Vampir war nicht gleich Vampir, und langsam verlor ich immer mehr von me i ner Angst.
Julian, ihr Anführer, war furchteinflößend, dennoch hatte ich mich bei ihm s i cher gefühlt. Außerdem hatte er dafür gesorgt, dass Gregor in seinen zweiten Tod befördert wurde und Martin in seiner Zelle schmorte. Was konnte seine Glau b würdigkeit besser belegen? Er hatte mir seinen Schutz zugesagt. Das sprach ei n deutig für ihn. Andererseits hatte er mir Damian als Mentor zugeteilt, und das sprach gegen ihn. Und wie!
Dann waren da die alten Vampire. Es war nicht so, dass man ihnen ihr Alter a n sah. Ganz im Gegenteil. Sie hatten diese unverwechselbare Ausstrahlung, eine Aura kühler Macht, die ihnen anhaftete und ihre Präsenz so intensiv spürbar machte. Manchmal sprachen sie eine seltsame Mischung aus Umgangssprache und altmodischem Geschwafel, das wohl auf ihr tatsächliches Alter zurückzuführen war . Zu diesen alten Vampiren gehörten Andrej, Pierre, Sonya, Armando und Max. Außerdem noch Achim, der das Hotel Aeternitas leitete, und Jack, der die Clubs beaufsichtigt.
Jack mit seinen weißen und schwarzen Rüschenhemden, die ihm vermutlich ein dreihundertjähriger untoter Schneider in einer Gruft bei flackerndem Kerze n schein mit zitternden knochenbleichen Fingern nähte, sah aus wie ein Bilderbuc h vampir. Na gut. An den zitternden Schneider glaubte ich nicht unbedingt. Manchmal war meine Fantasie so blühend wie ein
Weitere Kostenlose Bücher