Dezemberglut
frischer Herpesausschlag. Und dass sie sich mal wieder meldete, deutete ich eigentlich als gutes Zeichen.
Andrej, der die Nacht-Patrouille leitete und den ich am Anfang versehentlich für Julian hielt, hatte das blond gelockte Haar eines Engels, die Gesichtszüge eines Heiligen und den eiskalten Blick eines Killers. Gegen ihn verströmte Thor die G e fahr von Hello Kitty . Obwohl ich Andrej für einen gefährlichen Killer hielt – Damian war noch gefährlicher, da war ich mir sicher . D enn er hatte etwas in se i nem Blick, eine zerstörerische Wut, vor dem jeder mit normalem Selbsterhaltung s trieb seine Augen sofort abwandte. Ich hatte die furchtbare Macht des Vampir blicks bereits kennengelernt, und bei Damian, der immer auf der Suche nach Blickkontakt zu sein schien, war ich mir weder über seine Absichten noch seine Fähi g keit zur Selbstbeherrschung im Klaren. Damian war nicht nur gefährlich, er war obendrein verrückt. Total durchgeknallt. Ich hatte ihn mir gewünscht, und ich hatte ihn bekommen. Wenn auch ganz anders, als ich es geplant hatte. Künftig würde ich sehr vorsichtig mit meinen Wünschen sein.
Daniel, der mich so oft zwischen Schwanenwerder und der Zentrale am Ge n darmenmarkt hin - und herfuhr, war ein junger Vampir. Sarah ebenfalls. Und Richard und Murat. Ihre Fähigkeiten waren noch nicht sehr ausgeprägt, und sie machten mir überhaupt keine Angst mehr.
Max und Armando gehören zu den älteren Vampiren, obwohl sie sich mehr wie die jungen verhielten.
Und es gab natürlich die Siebzehn, die von Gregor gewandelten Vamp i re. Die über keine besonderen Kräfte verfügten und sich erst an ihr zweites Leben g e wöhnen mussten.
Das war alles ganz schön kompliziert.
Tiffany hatte gehört, dass Damian bald in das Übungsprogramm einsteigen würde, um Max und Armando zu unterstützen. Ich hoffte, dass das ein Gerücht bleiben würde.
Damian sprach selten mit mir, aber er kam ab und zu zum Training und schaute uns zu, wobei ich versuchte, ihn zu ignorieren, was mir aber nie gelang. Er hatte mir deutlich zu verstehen gegeben, dass er alles andere als begeistert war von se i nem Mentoren-Job. Dennoch schien er seine Pflicht ernster zu nehmen, als mir lieb war, und sah sie offensichtlich darin, dafür zu sorgen, dass ich keine Tra i ningsstunde ausließ.
Ich fragte mich , wofür dieses Training überhaupt gut sein sollte, es war weder speziell noch anspruchsvoll. Aber es hielt uns auf Trab und steigerte unsere Fi t ness. Außerdem gab es eine Art Unterricht, an dem ich ebenfalls nicht teilnehmen durfte, vermutlich so etwas wie „praktische Lebenshilfe für junge Vampire“, wo ich sicher eine Menge über Vampire hätte lernen können – und das Kampftra i ning, das bald beginnen sollte. Natürlich ebenfalls ohne mich, obwohl mir einige der Siebzehn alles andere als körperlich überlegen waren. W as könnte besser dazu geeignet sein zu lernen, wie ich gegen Vampire kämpfen konnte, als es mit ihnen gemeinsam zu üben?
Die Siebzehn durften die Zentrale inzwischen verlassen, wenn auch nicht allein. Nach dem Training gingen sie häufig ins Wilhelmina, ein Club, der der Gemei n schaft gehörte. Manchmal ging ich mit, weil es eine Abwechslung bedeutete von den stillen Tagen und Nächten auf Schwanenwerder. Heute waren Max und A r mando als unsere Begleiter dabei. Und Daniel und Murat. Gott sei D ank kam Damian nie mit.
Der Club war riesig und total angesagt, aber ich war früher nie dort gewesen. Es gab verschiedene Ebenen und oben diese besondere Etage, die anscheinend Vampiren und ihren Vertrauten vorbehalten war. Ich hielt mich nicht gern dort auf. Lieber blieb ich mit Tiffany unte n , um an der stets überfüllten Bar in der N ä he des Eingangs zu sitzen. Hier war ich unter Menschen. Tiffany hatte ihr blondes Haar inzwischen schwarz gefärbt. Sie war der Ansicht, schwarz sei dramatischer und würde besser zu ihrem neuen Leben als Vampir passen. Und zu ihrem blassen Teint, mit dem sie alles andere als zufrieden war.
Eine Frau ging dicht an unseren Hockern vorbei. Sie war ungeheuer attraktiv mit ihren großen Augen, den hohen Wangenknochen und ihrem langen roten Haar. Sie bewegte sich mit tadelloser Haltung auf unglaublich hohen Stilettos und stieg die Treppe nach oben, ohne uns eines Blickes zu würdigen. Es war nicht so, dass ihr „Vampir“ in Großbuchstaben auf die Stirn geschrieben stand, aber inzw i schen erkannte ich sie sofort.
„Kennst du sie?“
„Sie heißt
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