Dezemberglut
ich perfe k te Augenbrauen. Es gab viele attraktive Männergesichter, in denen die Schönheit bei den Augenbrauen aufhörte. Durchgezogene Linien von Schläfe zu Schläfe. Oder Gestrüpp, in das man Schleifen binden konnte. Damians Augenbrauen w a ren perfekte schwarze Bögen. Nicht zu dick oder zu dünn.
Wäre nicht dieser Ausdruck in seinem Gesicht und der Blick seiner Augen, sein martialischer Aufzug und diese ewige Wollmütze, hätte er vielleicht sogar attraktiv aussehen können. Er war doch auch mehr oder weniger ein Mensch. Na gut. Vie l leicht war das übertrieben. Und es war auch nicht so, dass ich jetzt keine Angst mehr vor Damian hatte. Nur eine Verrückte hätte keine gehabt. Aber ich fühlte mich nicht länger von ihm bedroht. Im Moment fühlte ich mich sogar sicher bei ihm, fast schon wohl.
Mann. Ich schüttelte den Kopf über mich selbst. Manchmal hatte ich das G e fühl, immer noch im Schockzustand zu sein. Ich war so dringend auf der Suche nach Unterstützung, nach jemandem, auf den ich mich verlassen konnte, dass ich sogar anfing, Damian in einem positiven Licht zu sehen. Ich hatte ja niemanden sonst. Damian würde mir nichts tun, da war ich mir inzwischen absolut sicher. Ich wollte bestimmt keine Freundschaft mit ihm schließen, aber zu erfahren, dass mein Mentor zwar durchgeknallt aussah und es auch war, mir aber den Rücken stärkte, wenn es darauf ankam, erleichterte mich sehr.
„Du willst das Haus behalten? Weiter hier leben?“, fragte er unvermittelt.
Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Mit eigenen Plänen für meine Zukunft tat ich mich immer noch schwer. Das Haus würde ohne meine Eltern nie mehr dasselbe sein. Dennoch war ich ihnen hier so nahe wie sonst nirgendwo. Sie hatten es geliebt, und ich tat es auch.
„Ja“, sagte ich. „Ja. Ich will bleiben und hier leben.“
Damians Gesicht zeigte wieder die gewohnte Leere. „Gut. Aber mach kein M u seum daraus.“
***
Nun, als ihn die Kleine ansah und nickte, flackerte ihr Schmerz, den sie sich i m mer mühte, unter Verschluss zu halten, auf wie ein Feuer, das plötzlich Nahrung erhalten hatte. Damian spürte den verzweifelte n Kummer tief in ihrem Innern. Es war so verdammt anstrengend, sich für ihre Gefühle zu öffnen. Bloß keine Tr ä nen.
Doch dann lächelte sie, ihr Kummer löste sich auf, und da war Erleichterung und Dankbarkeit. Sie stand ihr sogar ins Gesicht geschrieben. Angst und Panik, die sie in seiner Nähe stets empfand, hatten ihn immer öfter frustriert und verä r gert. Aber das hier war auch nicht besser. Dankbarkeit beunruhigte ihn, und dieser Blick irritierte ihn noch mehr.
„Kommst du jetzt allein klar?“, fragte er hastig.
„Ja.“
„Daniel holt dich morgen ab.“ Damian eilte durch den Flur und machte einen schnellen Abgang. Er zog die Tür hinter sich zu, bevor der kleine Hund mit dem albernen Namen seine spitze Schnauze hindurchstrecken konnte. Höchste Zeit, zu verschwinden. Der Hund winselte.
Zu Hause zappte Damian durch das Nachtprogramm. Aber es war immer wi e der diese Kleine, Charis, die sich in seine Gedanken stahl.
Gut. Er war froh, dass sie nicht mehr diese panische Angst vor ihm hatte. Sie war auf einem vernünftigen Weg, und wenn sie in ihr normales Leben zurückkeh r te, würde sie weniger lästig sein. Außerdem würde auch dieser Mentoren-Job i r gendwann beendet sein. Er erinnerte sich an diesen Blick, an ihr Lächeln und schüttelte den Kopf, um beides zu vertreiben. Er konnte sich ihre Dankbarkeit nicht erklären und versuchte es auch nicht. Er war niemand, der Dankbarkeit verdiente. Kein Retter, im Gegenteil. Der Schaden, den er üblicherweise anricht e te, war ansteckend, und davor sollte sich jeder schützen. Erst recht jemand wie sie.
Aber was hatte sie eigentlich geglaubt, auf we ssen Seite er stehen würde? Es war doch selbstverständlich, dass er sie beschützte. Vor Betrug. Und vor allem and e ren. Plötzlich dämmerte ihm die Erkenntnis, dass dies für sie wohl nicht so selbs t verständlich gewesen war, wie für ihn.
Kapitel 8
Obwohl ich mein Ziel erreicht hatte und mein Onkel wieder in Hamburg war, konnte ich mich nicht darüber freuen. Bisher war es mir gelungen, den Kummer weit von mir wegzuhalten. Es waren Gedanken über Vampire, die mich beschä f tigt hielten und die neue Umgebung. Aber nun, da ich allein zu Hause war, wusste ich nicht, wohin mit meinem Schmerz.
Im frühen Herbst, als ich das letzte Mal zu Hause und mein Leben noch
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