Dezemberglut
Alter? Alles war mir zu viel. Ich wollte nicht sitzen, nicht stehen, und ich zweifelte, ob ich überhaupt allein aus dem Auto steigen konnte.
Daniel machte genau das Richtige. Er äußerte kein: Ich habe es dir ja gleich g e sagt, oder: Was für ein Vollpfosten. Er schwieg während der gesamten Fahrt. Bis er vor meinem Haus anhielt.
„Damian. Ich glaube, er kann nicht anders“, presste er hervor. Es fiel Daniel schwer, so ruhig über Damian zu sprechen. „Als hätte er sich selbst verflucht.“ Daniel sah mich mit seinen unendlich sanften Augen an. „Er ist kalt. Er kann dich nicht lieben. Er weiß gar nicht, wie das geht. Er wird dich nie glücklich machen, und er weiß es. Das zeigt er dir. Je schneller du das begreifst, umso mehr Schmerz wirst du dir ersparen.“
Daniel hatte recht. Ich hatte Mühe, meine Tränen zurückzuhalten und räusperte mich. „Danke. Fürs n ach H ause fahren.“ Meine Finger tasteten umher, um den Sicherheitsgurt zu öffnen.
„Charis.“ Daniel berührte sachte meine Wange. Sein Gesicht kam näher, und ich hielt still. Der Kuss war sanft , eine vorsichtige Frage. Ich zögerte, bevor ich ihn erwiderte.
Während Damians Kuss in meinem Körper einen Flächenbrand ausgelöst hatte, empfand ich nun nichts, gar nichts, nur Enttäuschung.
Ich sah Daniels gequälten Blick. Auch wenn er nicht über die Fähigkeiten der alten Vampire verfügte – meine Reaktion blieb ihm nicht verborgen, und ich spü r te seine Aufregung, seine Gefühle für mich, die so stark waren und sich so falsch anfühlten und mir viel zu viel waren.
„Vielleicht brauchst du noch Zeit.“
Ich öffnete den Gurt. „Ja. Bestimmt.“
Wir waren bemüht, die Situation zu retten, und ich war die, die lügen konnte.
„Gute Nacht, Daniel.“ Ich sah dem Auto hinterher bis e s abbog und öffnete die Pforte des Jägerzauns. Meine Beine, mein Körper, alles war bleischwer. In me i nem Herzen fühlte ich abgrundtiefe Leere.
Daniel. Er war so gut. Er war verliebt in mich, und er würde mich auf Händen tragen.
Damian. Da war so viel Schmerz, dass er den Abgrund des Grand Canyon au f füllen könnte. Zu einem Meer aus Tränen.
Hatte Daniel recht? War Damians Herz wirklich kalt? Nein, es war alles andere als kalt. Doch w enn ich nicht aufhörte, weiter auf seine Liebe zu hoffen, würde ich mich zugrunde richten – und vielleicht auch ihn.
***
Damian lud die Frauen in ein Taxi und fuhr mit ihnen zu einer Bar, die sie unb e dingt besuchen wollten. Die Bar war entsprechend. Nach einer Viertel Stunde hatte er endgültig genug. Er betrachtete die beiden. Ordinär wäre ein Kompl i ment. Er hatte den Eindruck, ihre Körper wurden nur noch von Nikotin und Alkohol zusammengehalten. Sie ekelten ihn an. Das war zwar auch schon früher so gewesen, aber nie so schlimm wie heute. Diesmal wusste er, dass er noch nicht einmal einen hoch bekommen wollte. Er ging mit ihnen nach draußen, gab ihnen Geld für ein Taxi und schickte sie weg. Dan ach stand er an der grauen Wand der Bar und wünschte, sich übergeben zu können.
Was war er doch für ein Idiot.
Charis. Er wollte wütend sein auf sie, aber es gelang ihm nicht. Jeder Gedanke an sie barg so viel Trauer, dass er es kaum ertragen konnte. Immerhin schaffte er es, wütend auf Julian zu sein. Und auf Max für seine Ratschläge. Er hatte tatsäc h lich Recht behalten. Damian hatte sich eingelassen, viel zu sehr, und konnte noch nicht einmal mehr dahin zurück, wo er hergekommen war. Jede Sicherheit, die er sich durch seine früheren Entscheidungen geschaffen hatte, jede Gewissheit, in der er sich so lange eingerichtet hatte, war auf einmal in sich zusammengebrochen. E r musste sie sich endlich herausschneiden aus seinem Herzen. Aber w as konnte er tun? Wenn die kaputten Frauen, mit denen er sich so seelenverwandt fühlte, nicht mehr das Richtige waren, dann vielleicht eine Luxusversion. Die Nacht wü r de ihn eine Stange Geld kosten, aber er hatte sein Budget sowieso nie genutzt. Weder für Miete, Klamotten oder sonstigen Luxus.
Sie war schön, in einer bestimmten, sündhaften Weise. Ihre großen vollkomm e nen Brüste waren nicht echt. Ihre Lippen auch nicht. „Bist du auf Tournee? Spielst du in einer Band?“, fragte sie und gaffte ihn an in seiner Ledermontur.
„Nein. Aber ich werde auf dir spielen. Und dich zum Klingen bringen.“
Sie verzog ihren üppigen Mund zu einem verführerischen Lächeln.
„Darauf freue ich mich.“
Er freute sich nicht. Aber er
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