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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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zurückzugreifen, und wir haben genug Freunde, die uns Bescheid geben werden, wenn er Rentenpapiere bei der Bank verkauft oder Goldbarren einlöst.«
    »Und wenn er wegen des Geldes vor Gericht geht?«, fragte Ottokar.
    Seine Frau seufzte, als verliere sie langsam die Geduld. »In seinem Zustand kann dein Onkel niemanden mehr verklagen!«

VII.
     
    Die Pflege ihres Großvaters ließ Lore nur wenig Zeit, um ihre Eltern und Geschwister zu trauern. Der alte Mann haderte mit seinem Schicksal und verfluchte Gott für das Unglück, das über ihn hereingebrochen war. Manchmal lag er stundenlang stumm in seinem Bett und starrte die hölzerne Decke des Zimmers an, dann wiederum hetzte er seine Enkelin und das Dienstmädchen mit widersprüchlichen Anweisungen umher, so dass sie kaum zum Luftholen kamen.
    An diesem Tag war es besonders schlimm, daher stahl Elsie sich fort, nachdem sie das Mittagessen im Stehen verschlungen hatte, und ließ die ihr übertragene Arbeit einfach liegen. Kurz darauf sah Lore durch das Fenster, dass sich ein Fußgänger vom Dorf her dem Jagdhaus näherte, und fragte sich, wer es sein mochte. Doktor Mütze kam stets mit dem Wagen, und Kord, der seinen alten Dienstherrn regelmäßig besuchte, hätte sie von weitem erkannt. Doch da der Weg hier am Jagdhaus endete, musste es das Ziel des Fremden sein.
    »Herr Großvater, Ihr erhaltet gleich Besuch!«, rief sie dem Kranken zu.
    »Wenn es der Pastor ist, so sage ihm, er soll sich zum Teufel scheren!«, bellte der Alte.
    Lore zog den Kopf zwischen die Schultern und wagte nicht, eine Antwort zu geben.
    »Jetzt geh schon und schau nach, wer es ist«, setzte ihr Großvater grimmig hinzu.
    Gehorsam lief Lore zur Haustür und sah hinaus. Der Wanderer war nun so nahe, dass sie ihn wiedererkannte.
    »Onkel Fridolin! Welch eine Überraschung.« Sie eilte dem jungen Mann entgegen und ergriff seine Hände.
    Fridolin von Trettin blieb stehen und blickte sie erstaunt an. In seiner Erinnerung war Lore noch ein spindeldürres, flinkes Ding mit langen, blonden Zöpfen. Zöpfe trug sie zwar immer noch, aber ihr Haar leuchtete jetzt wie ein erntereifes Weizenfeld. Sie wirkte auch noch recht schlank, doch lag das mehr an ihrer Größe. Immerhin reichte sie ihm jetzt bis zur Nasenspitze, dabei war er nicht gerade klein. Sanfte Rundungen verrieten ihre erwachende Weiblichkeit, und ihr Gesicht erschien ihm trotz der Trauer in den großen, braunen Augen gleichermaßen lieblich und schön. Die Mädchen aus Hedes Etablissement würden sie um ihr Aussehen und ihre natürliche Eleganz sicher beneiden, fuhr ihm unziemlicherweise durch den Kopf.
    »Sag bloß, du bist die Lore? Bei Gott, wie die Zeit vergeht! Du bist ja direkt eine junge Dame geworden.«
    »Ich bin schon fünfzehn«, antwortete Lore und musterte ihren mit ausgesuchter Eleganz gekleideten Verwandten.
    Fridolin trug einen leichten hellgrauen Rock, eine Hose aus demselben Stoff und einen gleichfarbigen Zylinder. Sein rüschenbesetztes Hemd glänzte im Licht der Sonne, und in seiner gefällig gebundenen Krawatte steckte eine goldene Nadel.
    Er nahm ihren bewundernden Blick wahr und lächelte traurig. »Eigentlich hätte ich in Schwarz kommen sollen, aber ich besitzekeinen geeigneten Anzug – und mein Schneider wollte mir keinen Kredit geben.«
    Er lachte, als hätte er eben einen guten Witz erzählt, wurde aber rasch wieder ernst und legte Lore die Rechte auf die Schulter. »Mein Beileid, Kleines! Es muss schrecklich für dich gewesen sein, auf diese Weise deine Familie zu verlieren. Und dann ist auch noch der Onkel krank geworden! Wie geht es ihm denn?«
    »Besser, als der Arzt es ihm prophezeit hat! Aber er ist gelähmt und kann das Bett nicht mehr verlassen«, antwortete Lore kummervoll.
    »Und wer pflegt ihn?«, hakte Fridolin nach.
    »Elsie und ich. Das heißt, meistens ich.«
    »Elsie? Hieß nicht so das Dienstmädchen, das mir bei meinem letzten Besuch auf Trettin die Manschetten versaut hat?« Fridolin schüttelte sich bei dieser Erinnerung und bat Lore anschließend darum, ihn zu seinem Onkel zu führen.
    Lore ging voran, öffnete ihm die Tür zum Krankenzimmer und eilte selbst in die Küche, um einen kleinen Imbiss für den Gast vorzubereiten.
    Wolfhard von Trettin wartete bereits ungeduldig auf den Besucher und lächelte, als er den Sohn seines jüngsten Bruders eintreten sah. »Bei Gott, Fridolin! Welcher Wind weht dich hierher nach Ostpreußen?«
    »Zuerst einmal einen guten Tag, lieber Onkel. Doch um auf

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