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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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diese Überlegungen müßig waren, richtete Kord seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Gast und sorgte dafür, dass ihre Groggläser stets aufs Neue gut gefüllt waren. Draußen heulte der Sturm so wild, dass einem selbst in der warmen Stube angst und bange werden konnte. Obwohl der alte Knecht die Fensterläden geschlossen und die Fenster selbst mit Werg abgedichtet hatte, wehten kleine Schneeflocken durch die Ritzen und blieben für Augenblicke auf dem Boden liegen. Dann schmolzen sie und bildeten eine Pfütze, die immer größer wurde.
    »Was meinen Sie, Herr Fridolin, wollen wir zu Bett gehen?«
    Fridolin stand auf, musste sich aber sogleich an der Tischkante festhalten, um nicht allzu sehr zu schwanken. »Dein Grog hat es in sich! Der reißt einem glatt die Beine weg«, sagte er mit einem etwas kläglichen Grinsen.
    »Ein guter Grog muss steif sein«, erklärte der Knecht und richtete das Bett für seinen Gast.
    Kurz darauf lagen beide in den Federn, und während Fridolin rasch wegdämmerte, galten Kords Gedanken der Enkelin seines Herrn, und er hoffte, dass ihr Schiff auf dem Meer in keinen solchen Sturm geriet, wie er hier über das Land fegte.

XIV.
     
    Am nächsten Morgen hatten die Elemente sich ausgetobt, und das Land lag unter einer dicken, weißen Schneedecke. Kord war erleichtert, dass das Unwetter überstanden war, denn Doktor Mütze wollte aus der Stadt kommen, um das Jagdhaus in Besitz zu nehmen. Bislang hatte er aus Pietät gegenüber seinem toten Freund darauf verzichtet. Doch nun lag Wolfhard von Trettin unter der Erde, und das Leben musste weitergehen.
    Als Fridolin erwachte, versorgte Kord ihn mit heißem Wasser, damit er sich waschen und rasieren konnte, und bereitete in der Zwischenzeit das Frühstück zu.
    »Delikatessen, wie Doktor Mützes Köchin sie zubereitet, kann ich Ihnen nicht auf den Tisch stellen, Herr Fridolin. Aber es macht satt!« Mit diesen Worten teilte er den mit getrockneten Früchten versetzten Haferbrei in zwei Schüsseln und reichte eine davon seinem Gast.
    Fridolin aß die schlichte Kost mit gutem Appetit, wunderte sich aber, dass Kord so ärmlich leben musste. Auf dem Gut wurde genug Getreide geerntet und Vieh geschlachtet, um alle dem Gut angehörenden Menschen zu versorgen und darüber hinaus noch einen guten Teil mit Gewinn verkaufen zu können. Die geringe Zuteilung an Kord war wohl Teil von Ottokars Rache, weil der alte Knecht seinem früheren Herrn treu geblieben war.
    »Er ist eine Ratte, nicht wahr?«
    Obwohl Fridolin keinen Namen nannte, wusste Kord sofort, von wem er sprach. »Das können Sie laut sagen, Herr Fridolin. Ich aber darf nichts sagen, sonst lässt er mich aus meiner Kate weisen. Wahrscheinlich wird er es jetzt tun, weil ich dem alten Herrn einen letzten Dienst erwiesen habe.« Bei diesen Worten wirkte Kord mutlos. Er sagte sich, dass er am besten ebenso auf demGottesacker liegen sollte wie sein Herr, seine Frau und die Kinder, die vor ihm gestorben waren.
    »Vielleicht kann Doktor Mütze dir helfen. Er will doch das Jagdhaus behalten, und da braucht er jemanden, der darauf aufpasst und es in Ordnung hält«, warf Fridolin ein.
    Kords Kopf ruckte hoch, und er sah den jungen Mann mit neuer Hoffnung an. »Glauben Sie, der Herr Doktor würde das tun?«
    »Ich werde mit ihm darüber sprechen«, sagte Fridolin und widmete sich dem Rest seines Getreidebreis.
    Nach einiger Zeit hörten sie zwei Gespanne an der Kate vorbeifahren. Kord ging zum Fenster und sah hinaus. Als er sich wieder Fridolin zuwandte, spiegelte seine Miene aufrichtigen Ekel wider.
    »Es ist Herr Ottokar mit seinem Reiseschlitten sowie ein Schlitten mit mehreren Knechten. Weiß der Teufel, wohin die unterwegs sind.«
    »Vergessen wir Ottokar und trinken lieber einen Grog. Irgendwie ist es hier kalt!« Fridolin rieb sich die klammen Arme und brachte Kord dazu, kräftig nachzulegen.
    »Herr Ottokar hat mir das Brennholz heuer arg knapp zuteilen lassen. Aber wenn der Herr Doktor mich in der Jagdhütte hausen lässt, kann ich ruhig einheizen.«
    Bei Kords treuherzigen Worten sagte Fridolin sich, dass er den Arzt unbedingt dazu bewegen musste, sich um den alten Knecht zu kümmern. Es war eine Schande, dass Ottokar den alten Mann zu so einem erbärmlichen Leben verurteilt hatte.
    »Wann wird der Herr Doktor kommen?«, fragte Kord.
    »Sobald die Gutsleute die Landstraße von Schneeverwehungen geräumt haben, vermute ich.«
    »Dann dürfte er bald da sein!« Kord atmete tief durch und ging dann

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